1969: Geburtsstunde des Hybrid bei Daimler

Daimler stellt auf der IAA in Frankfurt den ersten Prototyp des Elektro-Hybrid-Busses OE 302 vor

1969: Geburtsstunde des Hybrid bei Daimler : Daimler stellt auf der IAA  in Frankfurt den ersten Prototyp des Elektro-Hybrid-Busses OE 302 vor
Erstellt am 9. April 2015

Hybridantriebe sind derzeit in aller Munde. Viel wird über sie geschrieben. Die Fahrzeugindustrie setzt als Plug-In-Hybrid viel auf diese umweltfreundliche Konzeption. Bei Daimler ist das ebenso - aber nicht erst seit neulich, sondern schon seit 1969!
Mercedes-Benz stellt auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1969 in Frankfurt/Main den ersten Elektro-Hybrid-Prototyp in Form des OE 302 vor. Ziel der Optimierung des Antriebs für Linienomnibusse ist bei diesem Projekt vor allem die Reduzierung von Abgasen in der Innenstadt: Batteriestrom treibt die Busse in sensiblen Zonen an, auf der Landstraße und in weniger dicht besiedelten Stadtvierteln schaltet der serielle Hybridantrieb auf die Dieselmaschine um. Der Selbstzünder wirkt allerdings in dem seriellen Hybridverbund nicht direkt auf die Räder, sondern versorgt den elektrischen Fahrmotor über einen Dynamo mit Energie.

Das Entwicklungsprojekt „Elektromobil“

„Streng vertraulich!“ steht über dem Protokoll einer technischen Sitzung am 13. November 1967 in Stuttgart-Untertürkheim, an der neben Daimler-Benz-Entwicklungschef Dr. Hans Scherenberg weitere Vorstände des Unternehmens sowie auch Vertreter von VW beteiligt sind. Gegenstand des Gesprächs ist das Entwicklungsprojekt „Elektromobil“: Es geht um Entwicklungsaufträge über den elektrischen Antrieb eines Mercedes-Benz Stadtbusses und eines VW-Transporters, um einen hybriden Antrieb mittels Gasturbine, Diesel- oder Wankelmotor und Batterie sowie die Entwicklung von Titanhydrid-Speichersystemen für Wasserstoff durch ein Institut in Genf. Als letzter Punkt auf der Tagesordnung kommen schließlich die ab 1970 zu erwartenden, strengen Abgasentgiftungs-Vorschriften in den USA zur Sprache.

„Dr. Müller berichtete dann über die weiteren Untersuchungen bei Daimler Benz  im Zusammenhang mit dem Elektro-Stadtbus“, heißt es im Protokoll. „Als Versuchsbus sei hierfür zunächst der Typ O 302 vorgesehen. Die nominelle elektrische Leistung liegt bei diesem Stadtbus bei etwa 150 PS, und als Antriebsmotor für den Generator ist der 4-Zylinder-Dieselmotor OM 314 vorgesehen, der bei einer optimalen Einstellung hinsichtlich Standzeit, Kraftstoffverbrauch, Geräuschverhalten etc. etwa 50 PS Leistung abgibt. Mit dieser Anordnung scheint ein 24-h-Betrieb ohne zwischenzeitliche Aufladung der Batterien möglich. Das erforderliche Batterievolumen für diese Ausführung ist etwa so groß wie das für den reinen Batterie-Antrieb eines solchen Fahrzeugs mit stündlicher Aufladung.“

Dieselelektrisch: Der Hybrid-Elektrobus OE 302

„Die Elektro-Traktion mit ihrer Emissions- und Geräuschfreiheit hat im städtischen Verkehr der Zukunft große Chancen“, urteilen die Ingenieure Müller-Berner und Strifler im eingangs bereits erwähnten Artikel in der Autmobiltechnischen Zeitschrift. Freilich sind dem batterieelektrischen Antrieb zur damaligen Zeit enge Systemgrenzen gezogen: Das Problem besteht im hohen Gewicht der Bleiakkus, verbunden mit einer geringen Reichweite.
Im Falle des 1969 vorgestellten OE 302 reduziert sich bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 16 Tonnen und einem Batteriegewicht von 3,5 Tonnen die Zahl der Fahrgäste im Vergleich zu einem dieselgetriebenen Bus von 110 auf 65. Die Batterie bringt es unter solchen Voraussetzungen je nach Straßenbedingungen auf eine Reichweite von etwa 40 bis 50 Kilometern oder auf eine Betriebszeit von wenig mehr als zwei Stunden. Mit einer Zwei-Tonnen-Batterie kann der Bus immerhin 90 Fahrgäste aufnehmen, dafür verringert sich die Betriebszeit auf 1,5 Stunden und die Reichweite auf 16 Kilometer. Höhere Fahrgastzahlen sind nur bei einem größeren Gesamtgewicht möglich.

Entscheidung für den Hybrid

Zu dem wirtschaftlichen Nachteil der geringeren Fahrgastzahl kämen im reinen Batteriebetrieb noch lange Standzeiten beim Aufladen der Batterien. Oder aber die Batterien müssten ausgetauscht werden, wobei dann allerdings für jeden Bus ein doppelter Batteriesatz nötig wäre. Diesen Weg geht Daimler-Benz wenig später im Falle des Transporters LE 306.

Beim OE 302 entscheidet sich das Unternehmen stattdessen für einen hybriden, dieselelektrischen Antrieb. Im Innenstadtbereich bleibt der Dieselmotor ausgeschaltet und die Antriebsleistung stammt allein aus der Batterie. Die Panzerplatten-Traktionsbatterien von Varta – insgesamt 189 Zellen in fünf Trögen – sind unterflur zwischen den Achsen angeordnet, gekühlt durch ein Gebläse. Dort befinden sich weiterhin sämtliche Hochspannungselemente sowie die Steuerungselektronik von Bosch, die zur damaligen Zeit noch relativ viel Platz benötigt. Ebenfalls von Bosch stammt der Gleichstrom-Nebenschlussmotor im Heck, der über ein Untersetzungsgetriebe im Verhältnis 1:2,14 und eine Gelenkwelle die Hinterachse antreibt.

Mit vereinten Kräften

115 kW beträgt die Betriebsleistung, 150 kW die kurzfristige Spitzenleistung des elektrischen Antriebs. 65 PS leistet dagegen der ebenfalls im Heck angebrachte Pkw-Diesel OM 314, der allerdings nicht zum Antrieb des Fahrzeugs dient, sondern nur außerhalb des Stadtzentrums zugeschaltet wird. Er übernimmt über einen Drehstromgenerator mit nachgeschaltetem Gleichrichter die Stromversorgung für den Elektromotor und lädt zugleich die Akkumulatoren auf. Dies bietet den Vorteil, dass die Maschine stets unter optimalen Bedingungen bei gleich bleibender Last und Drehzahl arbeitet und sich somit leicht auf minimale Emissionswerte einstellen lässt.
Zudem ist der Motor schalldicht gekapselt, besteht doch einer der besonderen Vorzüge des Elektromotors in seinen niedrigen Geräuschemissionen. Die Schalldämmung kommt auch dem gewöhnlichen, dieselgetriebenen Stadtbus mit „geräuschgekapseltem Diesel“ zugute, den Daimler-Benz zu Demonstrationszwecken im Rahmen der Olympiade 1972 in München einsetzt.

Wie weit die Ingenieure vorausdenken, zeigt eine Grafik im Aufsatz von Müller-Berner und Strifler: In einen Vergleich der spezifischen Leistung und Energie verschiedener möglicher Antriebssysteme beziehen sie neben Bleiakkus und Verbrennungsmotoren auch Nickel-Kadmium-Batterien – die allerdings teuer sind und zudem wegen der Entsorgung des hochgiftigen Kadmiums Probleme bereiten – und bereits auch die Brennstoffzelle mit ein.

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