Fernreisen mit dem Automobil gehören heutzutage zum Alltag: In den Ferien geht es über 1.000 Kilometer an die französische Atlantikküste, am Wochenende mal 400 Kilometer in das benachbarte Niederlande oder unter der Woche zu einem Business-Termin 500 Kilometer nach München.
Aber auch schon vor 125 Jahren zeigte der Verbrenner, dass er in der Lage ist, Fernreisen zu leisten und große Distanzen hinter sich zu lassen. Lange Reisen im Jahr 1894 gehörten längst nicht zum Alltag. Eine wahre Pioniertat war es dann, als Baron Theodor von Liebieg mit seinem Benz Victoria von Reichenberg in Böhmen bis nach Gondorf an der Mosel reist. Sieben Tage dauert diese automobile Fernfahrt, vom 16. bis 22. Juli 1894. Inklusive der Ausfahrten an der Mosel und der Rückreise legen von Liebieg und sein Begleiter Franz Stransky in jenem Sommer sogar rund 2.500 Kilometer zurück – ein eindrucksvoller Beweis für die Qualität des Kraftwagens.
Angetrieben von einem 3 PS starken Einzylindermotor
Liebiegs Victoria trägt die Fabriknummer 76. Angetrieben wird es von einem 2,2 kW (3 PS) starken Einzylindermotor.
Für die ersten 939 Kilometer brauchen von Liebieg und Stransky insgesamt 69 Stunden. Das ergibt ein Durchschnittstempo von 13,6 km/h, angesichts der schlechten Straßen sehr respektabel. Getankt wird an Apotheken oder Drogerien. Schon Bertha Benz hat sich auf ihrer Fahrt im August 1888 von Mannheim nach Pforzheim in einer Apotheke mit Ligroin als Treibstoff versorgt. Der Benz Victoria verbraucht etwa 21 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Erheblich höher ist der Bedarf an Kühlwasser, weil der Motor mit einer offenen Verdampfungskühlung ausgestattet ist, die auf 100 Kilometer bis zu 150 Liter Wasser benötigt. Erst Erfindungen der Folgejahre, allen voran die von Wilhelm Maybach bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft erdachten Kühler, senken den Kühlwasserbedarf erheblich.
Insgesamt absolviert der Benz Victoria auf dieser Fernreise rund 2.500 Kilometer bis zur Rückkehr nach Reichenberg.
Botschafter für das Automobil
Theodor von Liebieg unternimmt 1895 eine zweite Fernreise mit dem Victoria. Er tritt für Benz auch bei Automobilwettfahrten an. Durch diese Aktivitäten wird er zum Botschafter für das Automobil. Unter anderem gewinnt er 1899 beim ersten Österreichischen Internationalen Rennen in Wien den ersten Preis des Wiener Automobilclubs auf einem Benz 8 PS. Später ist Liebieg als Teilhaber der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft selbst Automobilproduzent: Aus dem Unternehmen geht 1923 nach einer Fusion mit Ringhoffer die Marke Tatra hervor. Doch Liebieg bleibt als Kunde dem Unternehmen Benz & Cie. treu – auch nach dem Zusammenschluss mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft: Das letzte Automobil des 1939 verstorbenen Industriellen ist ein exklusives Mercedes-Benz 540 K Cabriolet A.
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