Ob mehrfach in Goodwood, im alten Fahrerlager am Nürburgring, oder auf der Nordschleife. Auf der Solitude in Stuttgart, oder immer wieder bei der Mille Miglia in Italien. Ein Mercedes-Benz SSKL ist immer dabei und sammelt unaufhörlich weitere Kilometer auf seiner 87 Jahre alten Uhr. Das Beeindruckende ist, dass dieser Rennwagen keine „Trailer Queen“ ist. Der große weiße Mercedes kommt nicht auf dem Hänger. Nein, für den Besitzer ist selbst nach 30 Jahren SSKL fahren noch jeder Kilometer ein Genuss. Ob bei Sonnenschein und 40°C, oder bei strömendem Regen in der Eifel, der weiße Elefant fährt zuverlässig zu vielen Events auf eigener Achse. Das war in den 30er Jahren auch so üblich. Damals gab es kaum Rennwagen, die auf Renntransportern zur Rennstrecke gefahren wurden. Dieses Auto zu fahren ist wie eine Zeitreise zu erleben.
Der SSKL ist eine Zeitmaschine
Der SSKL ist so zu sagen eine Zeitmaschine. Nimmt man hinter dem großen Lenkrad Platz, ist alles etwas anders als heute. An der Lenkradnabe befinden sich zwei Hebel. Mit dem Linken kann man das Standgas justieren und mit dem Rechten stellt man den Zündzeitpunkt (oben spät, unten früh) ein. Zum Anlassen wird trotz Fliehkraftverstellung manuell erst grob nach oben „spät“ gestellt und wenn der Motor richtig läuft und die Umdrehungszahlen steigen wird immer weiter Richtung “früh“ geregelt. Mit dem rechten Pedal betätigt man die Bremse, mit dem Mittleren das Gas und das Linke ist, wie gewohnt, das Kupplungspedal. Mit dieser Pedalanordnung kann man beim Anbremsen mit dem linken Fuß kuppeln und Zwischengas geben, runter schalten und wieder einkuppeln. Der rechte Fuß bleibt vehement auf der Bremse stehen.
Mercedes-Benz baute zwischen 1928 bis 1934 ca. 300 Fahrzeuge des Baumusters W06, davon ca. 150 Stück Typ S, ca. 110 Typ SS, ca. 30 SSK und nur eine Hand voll SSKL. Von den SSKL existiert leider kein Originaler mehr. SS steht für Supersport, das K für den kürzeren Rahmen/Radstand, das machte die Fahrzeuge wendiger bei Bergrennen. Das L steht für leicht, da diese Fahrzeuge durch gebohrte Löcher in verschiedenen Rahmenteilen und andere Maßnahmen gut 200kg leichter waren, als ihre SSK Brüder. Der hier vorgestellte Mercedes S Wagen wurde in den 70er Jahren in Amerika zum SSKL modifiziert. Die Löcher im Rahmen sind ein einfaches Erkennungsmerkmal der Gewichtsoptimierung. Von den wenigen gebauten S-Wagen wurden viele nach dem Krieg nach Amerika verkauft. Einige waren verschollen und tauchten zufällig nach Jahrzehnten wieder auf. Nach gründlichen Recherchen wurde dieser SSKL nach und nach im Detail den Rennspezifikationen des Wagens der Saison 1931 angepasst. So hatte der amerikanische Vorbesitzer zum Beispiel vor 47 Jahren elektrische Benzinpumpen eingebaut. Diese gingen jedoch im Kompressor-Betrieb regelmäßig kaputt.
Der SSKL mit Elefantenkompressor
Bei der Teilnahme am Oldtimer Grand Prix am Nürburgring erkannte das deutsche SSKL Renn-Team das Problem und die nachgerüsteten Pumpen wurden wieder ausgebaut. Der zuschaltbare Kompressor saugt Frischluft an und drückt diese in die Vergaser. Ohne weitere Vorkehrungen würde der Sprit im Vergaser zurückgedrückt. Daher verfügt ein S-Wagen über einen 15 Liter „Vortank“ im Motorraum. Dieser wird ebenfalls mit dem Kompressordruck versehen. Der Sprit steht somit unter dem selben Druck wie die Luft. Nun stimmen die Druckverhältnisse, der Vergaser arbeitet korrekt und der Motor läuft rund. Man kann den Kompressor solange zugeschaltet lassen, bis der Kraftstoff aus dem Vortank verbraucht ist. Danach füllt sich der Vortank wieder automatisch. Alle S-Modelle sind mit einem zuschaltbaren Kompressor ausgestattet. Der SSKL ist jedoch der Einzige der S-Mercedes-Benz, der durch eine technische Besonderheit dauerhaft im Kompressor-Betrieb gefahren werden kann. Dieser Renn-Mercedes hat den größten, den „Elefantenkompressor“. Wie ein trompetender Elefant klingt es, wenn der weiße Streitwagen auf der Start-/Zielgeraden am Nürburgring mit zugeschaltetem Kompressor vorbei zieht.
Die Blower Bentley Kompressor-Rennwagen haben im Gegensatz dazu einen permanenten mitlaufenden Kompressor, der Gemisch ansaugt und mit Kurbelwellendrehzahl läuft. Vergaser und Luftfilter dämpfen bei dieser Bauweise das Geräusch, welches durch die Kompression der Luft entsteht. Der Elefantenkompressor läuft mit dreieinhalbfacher Kurbelwellendrehzahl und saugt direkt freie Luft an. Die hohe Drehzahl und das ungedämpfte Geräusch der Luftkompression sorgen für die furchteinflößende, typische Klangkulisse des weißen Elefanten. Die weiße Lackierung war in den 30er Jahren noch Pflicht für die deutschen Rennwagen. Französische Rennwagen mussten blau lackiert sein, italienische rot, englische grün… Anhand des farbigen Streifens auf der Motorhaube der Rennwagen erkannte man die Hubraumklasse. Die unterschiedliche Farbgebung der Kotflügel, wenn vorhanden, half im Renngeschehen die einzelnen Fahrer im Mercedes-Benz Team auseinander zu halten. Nachdem also alle nicht originalgetreuen Modifikationen der Amerikaner zurückgebaut wurden, war der SSKL standfest und läuft seitdem wie ein Schweizer Uhrwerk. Heute steht er genau so da, wie damals die original SSKL auf die Strecke gingen. Die Fahrzeuge wurden damals extrem stabil und zuverlässig konstruiert. Das war auch nötig. Vom 1927 gerade eingeweihten Nürburgring war nämlich nur die Start-/Zielgerade asphaltiert. Zum größten Teil war er eine Schotterpiste, wie viele öffentliche Straßen zu der Zeit auch. Mit 300 PS ließ der weiße Elefant damals, wie heute, alle seine Konkurrenten hinter sich.
Dominant in den 20er und 30er Jahren
Der SSKL ist bis heute der schnellste S Wagen mit der höchsten Leistung. Der weiße Elefant hat bei 3400/min im Saugbetrieb 240 PS/176,5 kW und im Kompressorbetrieb 300 PS/221 kW bei einer Verdichtung von 7:1 und Kompressor Verdichtung von 1:1,3. Wenn der Pilot heute mit dem fast 90 Jahre alten Rennwagen auf der Nordschleife unterwegs ist, reizt er die Möglichkeiten nicht ganz aus, aber 200 von den wohl möglichen 235km/h fährt er allemal. Das mit diesem Wagen heute auf der Nordschleife Rundenzeiten von ca. 10 Minuten möglich sind, zeigt den hohen technischen Stand des Fahrzeugs. Bei einem Tankvolumen von 125 Litern und einem Verbrauch von ca. 20 Litern bei Kompressorbetrieb auf der Nordschleife, reicht das Benzin für knappe 6 Runden. Die 1650kg zu bändigen und mit den unterdimensionierten Trommelbremsen und der Blattfederung ohne Überrollkäfig um die Kurven zu zirkeln, erfordert Erfahrung, aber auch Mut. Rudolf Caracciola deklassierte ja bereits vor 90 Jahren beim Eröffnungsrennen des Nürburgrings die leichteren kleinen Rennwagen. 1931 setzte sich Caracciola mit einem SSKL gegen die leichtfüßigen Alfas und Bugattis durch. Dies lag nicht nur an seinem fahrerischen Talent. Die S Mercedes waren die dominierenden Rennwagen der 20er und 30er Jahre. Sie wurden auch als Straßenversion an Privatkunden verkauft und von diesen bei Rennen eingesetzt. Die Rennversionen blieben jedoch den Mercedes Werksfahrern vorbehalten.
1931 stand Rudolf Caracciola bei 11 Rennen mit dem SSKL auf dem Siegertreppchen ganz oben. Unter anderem gewann er als erster Nicht-Italiener mit dem Beifahrer Wilhelm Sebastian die Mille Miglia, das Eifelrennen am Nürburgring, den Großen Preis von Deutschland, das Avus-Rennen und viele weitere Rennläufe. 1932 zog sich das Mercedes Werk wegen der Wirtschaftskrise aus dem Rennsport zurück. Caracciola fuhr dann für Alfa Romeo. Das Jahr 1932 wurde für den SSKL Höhepunkt und Abschluss in seiner Verwendung als konkurrenzfähiger Rennwagen. Der Privatfahrer Manfred von Brauchitsch setzte einen SSKL auf der Berliner Avus-Rennstrecke ein. Der Wagen verfügte über eine von dem Aerodynamiker Reinhard Koenig-Fachsenfeld überarbeitete rundliche Stromlinien-Karosserie wodurch der Wagen vom Publikum liebevoll „Gurke“ genannt wurde. Durch die bessere Aerodynamik fuhr der Wagen schneller als der Werkswagen und konnte mit 240km/h über den Stadtkurs mit den Steilkurven aus Ziegelsteinbelag fliegen. Es gelang von Brauchitsch knapp vor dem Alfa von Caracciola die Ziellinie zu überqueren und so das Rennen zu gewinnen.
90 Jahre pure Faszination
Der SSKL hat auch nach 90 Jahren nichts von seiner Faszination verloren und zieht Fahrer und Publikum gleichermaßen in seinen Bann. Der weiße Elefant kann bei jeder Rallye im Standgas langsam tuckernd durch Ortschaften gefahren werden, oder am Limit über die Nordschleife fliegen.
Dank der Zuverlässigkeit des Wagens kann man auf eigener Achse hunderte Kilometer reisen, ohne ein Arsenal an Zündkerzen oder sonstigen Ersatzteilen mit zu führen. Genüsslich dahin cruisen ist problemlos möglich, jedoch kann jederzeit durch die Aktivierung des Kompressors die Urgewalt in dem historischen „leichten“ Riesen entfesselt werden und er verwandelt sich in einen waschechten Rennwagen.
Baujahr: 1930 als SS 720
Modifikation: ca. 1970 zu SSKL
Fahrgestellnummer: 36228
Motornummer: 72349
Motor: Reihensechszylinder 7,1-Liter
Kupplung: Vierscheiben Trockenkupplung
Kompressor: Roots
Zündanlage: Scintilla
Kurbelwelle: Verstärkt
Tankverschluss: Typisch SSKL 1931
Getriebe: 4 Gang H Schaltung unsynchronisiert und gerade verzahnt
Leistung: 240Ps 300Ps mit Kompressor
Federung:
vorne: Blattfedern mit hydraulischen Stoßdämpfern
hinten: Blattfedern mit Reibfedern
Gewicht: 1650kg
Länge: 4250 mm
Breite: 1700 mm
Höhe: 1250 mm
Radstand: 2950mm
Bereifung:
vorne: 6,50 19“
hinten: 7.0 19“
(Für die Rennstrecke werden Dunlop Racing Reifen aufgezogen, die es nur in 19 Zoll gibt. Originalbereifung ist 20Zoll.)
- Standgas
- Zündzeitpunkt
- Hupknopf für Fahrer
- Öldruck
- Lichtschalter und Zündschloß
- Wassertemperatur
- Instrumententafelbeleuchtung
- Nachgerüsteter Blinker
- Drehzahlmesser
- Instrumententafelbeleuchtung?
- Benzindruckmanometer
- Tachometer
- Öffnet Druckverbindung zum Tank für Benzindruckanzeige
- Uhr
- Manuelle Benzinpumpe
- Kompressorzuschaltung für Dauerbetrieb
- Kupplungspedal
- Gaspedal
- Bremspedal
- Schalthebel
- Handbremse
- Fettpresse
- Nachstellrad Handbremse, unter Helm im Fußraum Stellrad für gesamte Bremsanlage
- Knöpfe für die Schaltung der zwei Zündkreise
- Schauglas Benzinüberlauf
- Hupknopf für Beifahrer
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