Nico Rosberg ist Weltmeister 2016! Lewis Hamilton kämpfte bis zum Schluss um den Titel, widersetzte sich offen seinem Team und griff tief in die Trickkiste, vergebens. Nun schlagen die Wogen hoch. Wir erklären, was passiert ist und warum.
Vor dem Rennen war klar, dass Lewis Hamilton Schützenhilfe benötigt, um doch noch Champion zu werden. Wilde Spekulationen über verschiedene Manöver und Möglichkeiten machten die Runde. Schließlich musste es Hamilton schaffen, Nico schlechter als P3 abschneiden zu lassen. Sogar von absichtlichen Kollisionen war die Rede.
Der eigene Erfolg steht für Lewis Hamilton an erster Stelle - immer!
Am Start allerdings war davon nichts zu spüren. Alle hielten ihre Positionen. Auch über weite Strecken des Rennens machte Hamilton, was er am besten kann, nämlich unglaublich schnell rennfahren. Erst am Ende witterte er seine Chance und griff tatsächlich zu drastischen Maßnahmen.
Hamilton bremst Rosberg!
Als Sebastian Vettel im letzten Renn-Viertel frische Reifen aufzog, erkannte Lewis Hamilton dies als letzte Chance, Rosberg den sicher geglaubten Titel zu entreißen. Sein Plan: Als Führender das Tempo so weit zu reduzieren und damit seinen Team-Kollegen zu verlangsamen, dass Vettel und Verstappen aufschließen können. Wenn diese beiden an Rosberg hätten vorbei ziehen können, wäre Hamilton Weltmeister. Alleine die Tatsache, dass Rosberg in harte Zweikämpfe verstrickt und womöglich Opfer eines wie immer aggressiven Verstappens geworden wäre, war dem Briten diese Maßnahme wert. Und der Plan ging vorerst auf. Rosberg, im Hinblick auf die WM übervorsichtig unterwegs, kam nicht am langsam vor sich hinfahrenden Hamilton vorbei, während Vettel und Verstappen tatsächlich zu ihm aufschließen konnten. Bis zu zwei Sekunden fuhr Hamilton pro Runde langsamer als die Konkurrenz.
Voll konzentriert auf sich selbst - Lewis Hamilton im Cockpit.
Offene Kontroverse per Funk!
Das Team sah den Rennsieg, der über allem steht, gefährdet und forderte Hamilton mehrfach auf, das Tempo zu erhöhen. Dieser verweigerte offen den Gehorsam und stellte seine eigenen Ambitionen klar über die des Teams. Selbst einer der extrem seltenen Funksprüche von Technik-Chef Paddy Lowe konnte ihn nicht umstimmen. "Ich liege doch gerade in Führung, alles bestens!" Später wurde er deutlich: "Ich verliere hier gerade den Titel! Ob ich das Rennen gewinne oder nicht, ist mir egal!" Pikant ist sicherlich die Tatsache, dass Hamilton mit seiner Aktion indirekt anderen Teams zu besseren Ergebnissen verhelfen wollte, was be Mercedes übehaupt nicht gut ankam. Sportchef Toto Wolff kochte an der Box, konnte aber auch nichts erreichen. Am Ende nutzte Hamilton seine Taktik nichts, Rosberg blieb zweiter und holte sich verdient die WM-Krone.
Hamilton und Rosberg sind Teil des Teams.
Große Champions - große Egomanen!
Hamilton allerdings steht jetzt als Buhmann da, der sich den Interessen des Teams widersetzt hat. Das ist auch ganz klar der Fall. Andererseits: Was hat man denn erwartet? Hamilton ist wie alle anderen sehr erfolgreichen Piloten ein extremer Egomane. Nur so kann man mehrfacher Weltmeister werden. Darauf zu vertrauen, dass er für einen bloßen Rennsieg seine letzten Titel-Chancen hergibt, war von Seiten des Teams ziemlich naiv. Zumal man den Konstrukteurs-Titel ebenfalls schon lange im Sack hat. Natürlich wollte das Team keine unfairen Aktionen sehen. Aber Hamilton blieb mit seiner Verzögerungstaktik zumindest im grauen Bereich. Rennfahrer Felix Rosenqvist, als F3-Champion, DTM- und Formel-E-Pilot ebenfalls mit allen Wassern gewaschen, meinte hinterher in einem Facebook-Kommentar: "Ich finde nicht, dass Hamilton es übertrieben hat. Es waren sicherlich schmutzige Tricks, aber wenn er gewollt hätte, hätte das alles noch viel hässlicher ausgehen können." Und das ist genau der Punkt. Hamilton versuchte alles, aber ohne wirklich unfair zu werden. Was hätten denn Fahrer wie Senna, Schumacher oder Alonso in dieser Situation getan? Auf das Team gehört und freiwillig auf die letzte Titel-Chance verzichtet? Wohl kaum. Im Gegenteil, hier wäre die Kollisionsgefahr wohl noch größer gewesen. Das haben unzählige Beispiele in der Vergangenheit gezeigt. Man schaue nur auf die Final-Unfälle von Prost und Senna in den 1980ern oder die Aktionen Schumachers gegen Hill und Villeneuve Mitte der 1990er. Im Gegensatz dazu hat sich Hamilton geradezu vorbildlich verhalten. "Ich versuche nie etwas, um dem Team oder der Marke zu schaden, aber wir haben die Konstrukteurs-Meisterschaft schon gewonnen, von daher ging es heute um Nico und mich", verteidigt sich Hamilton. "Ich habe heute nichts Gefährliches gemacht. Von daher denke ich nicht, dass ich irgendetwas Unfaires getan habe. Wir kämpfen um eine Weltmeisterschaft. Ich war in Führung, also kontrolliere ich die Pace. So sind die Regeln."
Hamilton gegen Rosberg - das packendste Team-Duell seit langem!
Wie reagiert das Team?
Das Mercedes-AMG Petronas F1 Team allerdings hat jetzt ein Riesen-Problem. Durch die öffentlichen Anweisungen und die deutliche Empörung über den Ungehorsam Hamiltons hat man sich jetzt selbst unter unnötigen Druck gesetzt. Weil Hamilton erwartungsgemäß uneinsichtig ist und es wahrscheinlich auch bleiben wird, wird man wohl um Konsequenzen nicht herum kommen. Das wird das ohnehin durch angedeutete Verschwörungs-Vorwürfe seitens Hamiltons angespannte Verhältnis zwischen Team und Dreifach-Champion weiter untergraben. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Maßnahmen man sich entschließt. In britischen Zeitungen wird bereits über den Rauswurf Hamiltons spekuliert. Auch eine Sperre oder hohe Geldstrafen stehen im Raum. Die internen Verhaltensregeln stehen ebenfalls auf dem Prüfstand. Toto Wolf dazu. "Alles ist möglich. Vielleicht entschließen wir uns auch, die Fahrer in Zukunft noch offener gegeneinander kämpfen zu lassen."
Team-Chef Toto Wolff hat nun ein großes Problem.
Schlechte Vorzeichen für Hamiltons 2017!
Nico Rosberg übrigens hatte gar keine so großen Probleme mit Hamiltons Taktik. Darauf angesprochen meinte er: "Es hat mich überrascht, aber das war vielleicht etwas naiv von mir." ... "Ich kann Hamilton Perspektive durchaus verstehen, aber ich kann auch das Team verstehen." Der Deutsche ist allerdings auch in einer glänzenden Position. Den Titel in den Händen kann er sich zurücklehnen und zusehen, wie sich Hamilton und das Team aneinander reiben. Ihm kann das für die Zukunft nur nützen. Und die zweite Fahrer-Reihe in Form von Pascal Wehrlein oder Esteban Ocon reibt sich auch schon mal die Hände.
1 Kommentar
2FAST4YOU
2. Dezember 2016 15:11 (vor über 7 Jahren)
Schreibe einen Kommentar