Neue Automarken aus China finden bei deutschen Markenhändlern viel Zuspruch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Hersteller wie VW oder Mercedes-Benz sich bei ihnen ziemlich unbeliebt gemacht haben.
Es ist der dritte Anlauf. Nachdem in der Vergangenheit bereits zwei Versuche chinesischer Autobauer gescheitert sind, auf dem europäischen Markt ein Rad auf die Straße zu bekommen, scheint es jetzt zu klappen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen stimmen anders als früher nun auch Design, Verarbeitung und Fahrzeugsicherheit. Zudem ist der Automarkt mitten in einem radikalen Wechsel weg vom Verbrenner hin zur Elektromobilität – und da sind die Hersteller aus Fernost technisch wie logistisch deutlich besser aufgestellt als die deutschen Autofirmen. Aber ein weiterer Faktor ist inzwischen dazu gekommen: Die ihrer Marke einst so loyalen Händler sind von Volkswagen, Mercedes & Co. in den vergangenen Monaten so verärgert worden, dass sie ihre Verkaufsräume mehr und mehr auch der chinesischen Konkurrenz öffnen.
Das Zerwürfnis zwischen Autoherstellern und selbst langjährigen Autohändlern ist tief. Die deutschen Markenhändler von Mercedes beispielsweise machten ihrem Ärger über die Luxusstrategie und Preispolitik der Stuttgarter im Sommer mit einem geharnischten Wutbrief ihres Verbandes Luft. Die Preise seien zu hoch, die Qualität zu niedrig. Reihenweise seien die Neuwagenkunden auf dem Absprung zur Konkurrenz. Der Konzern sei "von Gier" getrieben. Eskaliert wird die Wut der bislang frei agierenden Händler noch dadurch, dass Mercedes sie zu Agenturen und bloßen Weisungsempfängern degradieren wolle.
Bei anderen deutschen Markenhändlern ist die Stimmung nicht besser. Auch VW und BMW streichen ihre Händlernetze zusammen. VW etwa hatte 2015 noch rund 1.250 Handelsbetriebe in Deutschland. Anfang des Jahres waren es noch 740, mit dem Auslaufen der Zeitverträge wird seit März weiter ausgesiebt. Die Hersteller wollen selbst mehr Kontrolle, eigene Kontakte zu und Informationen über die Kunden – das, was das Pfund ausmachte, mit dem die Händler vor Ort ihre Geschäfte machen. Zudem verärgert auch bei VW eine forsche Preispolitik die Händler. Ziel sei die Verdoppelung des Überschusses von derzeit 3,6 auf 6,5 Prozent, heißt es im Konzern. Das manager magazin zitiert einen anonymen VW-Händler: "Der Hersteller hat jeglichen Bezug zur Realität verloren."
Den chinesischen Herstellern kommt das wie gerufen – sie bauen ihre Händlernetze rasant auf den bestehenden Strukturen aus oder finden ganz neue Vertriebswege. Insgesamt rechnen die Automobilexperten der TU Chemnitz 2023 mit dem Import von etwa 600.000 Autos aus China nach Europa. 2025 seien bereits 1,1 Millionen zu erwarten. Der weit überwiegende Teil davon: batterieelektrische Fahrzeuge. 2025 könnte dann jeder vierte Stromer aus China kommen.
BYD
Nicht nur, aber vor allem BYD (Build Your Dreams) stößt in diese Lücke des Unmuts vor - etwa indem man bei den neuen Händlern großzügig Geld für Um- und Ausbau zuschießt. In China hat BYD bereits VW vom Thron der meistverkauften Automarke gestürzt. Auch in Deutschland setzen die Chinesen auf Expansion: 2026 will BYD allein in der Bundesrepublik 126.000 Neuwagen verkaufen, mehr als doppelt so viele wie Tesla heute nach acht Jahren im Markt.
Nicht ohne Stolz listet BYD bereits sieben große Autohandelsguppen auf, unter deren Dach man künftig vertreten sein wird und die bereits alle Regionen Deutschlands abdecken sollen: Sternauto, Sternpartner, Riess, Torpedo, Senger, Reisacher, Glinicke.
Sternauto ist eine der größten Automobilhandelsgruppen Deutschlands, vertreten in sechs Bundesländern an 23 Standorten im Raum Berlin, Dresden, Leipzig, Magdeburg, Rostock, Schwerin, Erfurt und Potsdam. Neben vor allem Mercedes bietet Sternauto auch Grenadier und nun eben BYD an. Sternpartner ist der größte Mercedes-Benz Vertreter in Norddeutschland mit 18 Standorten zwischen Hamburg, Bremen und Hannover. In zehn Standorten quer durch Baden-Württemberg verkauft Riess neben Mercedes und BYD unter anderem Geländewagen von Grenadier. Neben Mercedes und nun BYD finden sich auch Land Rover und Hyundai im Portfolio der Torpedo-Gruppe, die auf 21 Standorte in Rheinland-Pfalz und Ostdeutschland kommt. Die Senger Gruppe ist mit 50 Betrieben an 39 Standorten vertreten und verkauft die Fahrzeuge von elf Marken von Mercedes über VW bis BYD und Seat. Reisacher handelt an sechs Standorten zwischen Ulm und Landsberg traditionell mit BMW und Mini und hat nun auch BYD im Portfolio. Die Glinicke-Gruppe hat an 14 Standorten von Bielefeld bis Weimar 16 Automarken vom VW bis Fiat in den Verkaufsräumen – darunter mit MG und BYD zwei chinesische Marken.
Ora
Neben BYD drängt Ora auf den deutschen Markt, importiert von der Schweizer Emil Frey-Gruppe, die nicht nur ihre Händler dafür nutzen will. Frey selbst bietet bundesweit an 74 Standorten fast alle Automarken an von Aston Martin und Bentley über BMW, Citroën, Fiat und Ford bis zu Nissan, Mazda, Mitsubishi, Opel, Peugeot oder Subaru, Volvo und Volkswagen. Die Elektroauto-Marke des Konzerns Great Wall Motor aus dem chinesischen Baoding ist seit Januar 2023 in Deutschland und hat aktuell 161 Händlerstandorte bundesweit – alles Mehrmarkenhändler.
Wey
Bei der zweiten chinesischen Automarke von Great Wall Motor (GWM), die nach Deutschland kommt, tritt GWM selbst als Importeur auf. Zum Start gibt es die beiden SUV COFFEE 01 und COFFEE 02. Der COFFEE 01 kostet ab rund 56.000 Euro und wird von einem Plug-In-Hybriden angetrieben. Während Ora über ein klassisches Händlernetz verkauft wird, setzt Great Wall bei Wey auf ein Agentursystem und den Verkauf per App, Emil Frey fungiert als Agent. Insgesamt plant GWM für Wey 60 Standorte in Deutschland.
MG
Auch MG bietet seine SUV bereits über ein deutschlandweites Netz von gut 130 etablierten Mehrmarkenhändlern an, darunter so renommierte Häuser wie der Mercedes-Händler und Tuner Lorinser im schwäbischen Waiblingen. Unter der einst britischen Traditionsmarke MG bietet die chinesische SAIC Motor Corporation aktuell fünf elektrifizierte SUV an. MG setzt wie Wey beim Handel auf ein Agentursystem: Die Fahrzeuge im Schauraum und Ausstellungsbereich des Händlers bleiben Eigentum von MG. Auch die Vorführwagen werden von MG zentral gesteuert und sind auf den Hersteller zugelassen. Der Händler berät den Kunden, vereinbart die Probefahrt, nimmt gegebenenfalls ein Altfahrzeug in Zahlung und lässt das neue Auto zu. Dafür bekommt er von MG eine Provision. Das Konzept scheint zu funktionieren: Im vergangenen Jahr setzte MG in Deutschland 15.684 ab.
Lynk & Co
Wie Volvo gehört Lynk & Co zum chinesischen Geely-Konzern. Für 46.000 Euro kann man den SUV zwar auch kaufen. Angeboten wird der Lynk & Co 01, als Plug-In aber vor allem zur Miete über eine monatlich kündbare Club-Mitgliedschaft. Für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von aktuell 600 Euro gibt es das Fahrzeug selbst, dazu Versicherung, Wartung und Winterreifen. Tanken und Waschen gehen extra. Vier schicke Clubs mit Abholmöglichkeit gibt es in Berlin, Hamburg, München und Düsseldorf, sogenannte Meetingpoints zusätzlich in Frankfurt, Stuttgart und Köln. Für den Service sind 66 Werkstätten bundesweit zuständig, allesamt in lokalen Autohäusern.
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