Verbrauchswerte-Messung: Mercedes Normverbrauch wird realitätsnäher ermittelt

Neue Messverfahren zur Verbrauchswerteermittlung: Mercedes-Benz stellt auf neue Testverfahren um

Verbrauchswerte-Messung: Mercedes Normverbrauch wird realitätsnäher ermittelt : Neue Messverfahren zur Verbrauchswerteermittlung: Mercedes-Benz stellt auf neue Testverfahren um
Erstellt am 26. Januar 2018

WLTP und RDE - das sind zwei Begriffe, die Sie sich als Autofahrer merken sollten, denn künftig werden sie ihnen häufiger begegnen. Und was soll das bedeuten? Bis zum Herbst 2018 stellt Mercedes-Benz sein Pkw-Portfolio sukzessive auf WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) um. Der WLTP liefert näher am Fahrgeschehen orientierte Testergebnisse als der seit 1992 geltende NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Als erster Mercedes-Benz ist der neue CLS nach WLTP in der Emissionsstufe Euro 6d-TEMP zertifiziert. Dazu musste auch die Einhaltung der Grenzwerte im so genannten RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) nachgewiesen werden.

Tschüß NEFZ - aber niemals geht man so ganz!

Da der NEFZ bereits 1992 eingeführt wurde und sich inzwischen Verkehrslage und Fahrzeuge verändert haben, ist er veraltet. Wegen seines hohen Stadtverkehrsanteils und der geringen Beschleunigungen bildet er die Realität nur unzureichend ab. Die Entwicklung des WLTP begann als eine Initiative der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) im November 2007. Zielsetzung war es, auf Basis realistischer Fahrdaten einen weltweit gültigen Prüfzyklus zu definieren. Damit sollen die Verbraucherinformationen und die Vergleichbarkeit von Fahrzeugen verbessert werden. Geplant war gleichzeitig, Anreize zur Entwicklung effizienter Technologien zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs im realen Fahrbetrieb zu geben.Das Ziel einer weltweiten Harmonisierung wurde nicht vollständig erreicht: Der WLTP gilt in der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Schweiz, Lichtenstein, Türkei und Israel sowie modifiziert in Japan und für Dieselfahrzeuge in Südkorea. Russland, Australien und eine Reihe von Staaten im Mittleren Osten, Asien sowie in Südamerika bleiben beim NEFZ; die USA, Brasilien und weitere Staaten haben andere Zyklen. China verwendet für die neueste Emissionsstufe den WLTP als Testverfahren. Für die Verbrauchsermittlung wird dort heute der NEFZ verwendet, für die Zukunft ist aber ein eigenes Messverfahren geplant.

WLTP: Die wichtigsten Neuerungen

  • Im Vergleich zum NEFZ dauert der WLTP-Fahrzyklus zehn Minuten länger (30 Minuten statt 20).
  • Der Anteil der Standzeit beträgt nur noch 13 Prozent (NEFZ: 23,7 Prozent).
  • Die gesamte Zykluslänge beträgt ca. 23 Kilometer (NEFZ: 11 Kilometer).
  • Der WLTP beinhaltet höhere Geschwindigkeiten bis 131 km/h (NEFZ: 120 km/h).
  • Das Durchschnittstempo steigt auf 46 km/h (NEFZ: 34 km/h).
  • Das Fahrprofil im WLTP ist deutlich dynamischer, d. h. die Geschwindigkeitsänderungen fallen größer aus als im NEFZ. Der NEFZ besitzt einen hohen Anteil an Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit (40 Prozent) und einen vergleichsweise geringen Anteil an Beschleunigungsfahrt (21 Prozent). Er setzt sich aus einem inner- und einem außerstädtischen Anteil zusammen. Der neue WLTP kennt hingegen vier unterschiedliche Phasen: bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h. Sie dienen der Simulation von Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten.
  • Die Prüfvorgaben sind deutlich enger. So ist beispielsweise die Temperatur beim Test auf 23°C festgelegt, beim NEFZ konnte sie zwischen 20 und 30°C liegen. Hinzu kommt in Europa beim WLTP ein Test bei der europäischen Durchschnitts­temperatur von 14°C.
    Eine größere Änderung bedeutet die WLTP-Einführung für Plug-in-Hybridfahrzeuge. Diese können extern elektrisch aufgeladen werden. Diese Fahrzeuge fahren den Test mehrmals. Gestartet wird mit voller Batterie. Der Zyklus wird so oft wiederholt, bis die Batterie leer ist. Anschließend erfolgt noch eine Messung mit leerer Batterie, bei der die Antriebsenergie ausschließlich vom Verbrennungsmotor und der Bremsenergierückgewinnung stammt. Aus diesen beiden Messungen wird der auszuweisende CO2-Wert berechnet, indem die beiden Ergebnisse abhängig von der elektrischen Reichweite ins Verhältnis gesetzt werden.
  • Darüber hinaus wird nicht mehr wie bislang nur die Basisvariante eines Modells getestet, sondern es werden Sonderausstattungen berücksichtigt. So können Kunden beim Vergleich zweier Fahrzeuge anhand der individuellen WLTP-Werte nachvollziehen, um wie viel z. B. ein Schiebedach den Verbrauch erhöht.

Die Abgasmessung auf der Straße: RDE: Realistische Überprüfung der Laborwerte

Auch die Abgasmessung neuer Emissions-Typen im Labor erfolgt seit September 2017 im Rahmen der Zertifizierung nach Euro 6d-TEMP entsprechend dem neuen Messverfahren WLTP. Als neue Emissions-Typen gelten Fahrzeuge, die unter anderem über einen neuen oder geänderten Motor verfügen. Ergänzt wird die WLTP-Labormessung durch den sogenannten RDE-Test (Real Driving Emissions), mit dem die Schadstoffemissionen (u. a. Stickoxide und Partikel) bei Fahrzeugen direkt auf der Straße gemessen werden.
Der zusätzliche RDE-Test soll eine Überprüfung der Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb ermöglichen. Im Gegensatz zur Laboruntersuchung folgt der RDE-Test keinem festgelegten Fahrzyklus. Vielmehr wird das Emissionsverhalten unter realen Fahrbedingungen mit gesetzlich definierten zulässigen Umgebungsbedingungen überprüft.

Für den RDE-Test werden die Fahrzeuge mit einem sogenannten PEMS-Gerät (Portable Emission Measurement System) zur mobilen Emissionsmessung ausgerüstet. Die Funktionsweise: Über eine Sonde werden während der Fahrt die Abgase in einen „Messkoffer“ geleitet. Messinstrumente analysieren unter anderem den Gehalt an Kohlenmonoxid, Stickoxiden (NOx) und Partikelanzahl (PN). Die Werte werden zusammen mit weiteren Parametern wie Wetter- und GPS-Daten aufgezeichnet. Für Fahrzeuge, die eine RDE-Fahrt im Rahmen der Emissionsnorm Euro 6d-TEMP absolvieren, sind die Emissionsgrenzwerte der Norm Euro 6 zzgl. sogenannter Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für Stickoxide liegt dieser Konformitätsfaktor in der RDE Phase 1 (Euro 6d-TEMP) bei 2,1, für die Partikelanzahl bei 1,0 – hier kommt eine zusätzliche Toleranz von 0,5 hinzu, die Schwankungen in den Messgeräten abbildet. In der RDE Stufe 2, die für Neutypen ab dem 1. Januar 2020 bzw. für alle Neuzulassungen ab dem 1. Januar 2021 gilt, liegt der Faktor für Stickoxide ebenfalls bei 1,0 zzgl. einer Toleranz von 0,5 für die Messtechnik.

Die gesetzlich definierten zulässigen Bandbreiten für eine RDE-Fahrt decken ein weites Anwendungsfeld ab, z. B. sind Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h, Temperaturen bis 0°C und die Fahrt im Gebirge gültig. Darüber hinaus gibt es einen erweiterten Anwendungsbereich mit Temperaturen im Minusbereich bzw. bis zu 35°C und einer geografischen Höhe von bis zu 1.300 m. Auch bei den maximalen Beschleunigungen während der Messfahrt sind gesetzliche Randbedingungen zu beachten. Die Grenzwerte sind mit entsprechenden Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für den erweiterten Anwendungsbereich gelten eigene Faktoren. Da im realen Kundenbetrieb die Anforderungen häufig geringer sind, können die Emissionen im realen Fahrbetrieb deutlich unter den Messwerten einer gültigen RDE-Fahrt liegen.
Amtliche Messinstitute, aber auch z. B. private Umweltorganisationen werden zukünftig ebenfalls eigene RDE-Tests innerhalb der erwähnten Randbedingungen durchführen können.


Randbedingungen (Beispiele):

  • Fahrtdauer zwischen 90 und 120 Minuten
  • Geschwindigkeitsbasierte Aufteilung der Fahrt in 34 Prozent Stadt (aber mindestens 29 Prozent der Fahrtstrecke), 33 Prozent Überland und 33 Prozent Autobahn. Um den wechselnden Verkehrs­verhältnissen Rechnung zu tragen, ist bei diesen Werten eine Toleranz von +/- 10 Prozent erlaubt.
  • Die jeweilige Strecke (Stadt/Land/Autobahn) muss mindestens 16 km lang sein.
    Die Geschwindigkeitsbereiche liegen
    - in der Stadt bei 0 bis 60 km/h (Durchschnittsgeschwindigkeit 15-40 km/h); zulässig sind mehrere Stoppphasen von 10 Sekunden und länger (max. 300 Sekunden); die Stoppphasen dürfen 6 - 30 Prozent (zeitbasiert) betragen.
    - bei Überlandfahrt bei 60 bis 90 km/h
    - auf der Autobahn zwischen 90 und maximal 160 km/h.
  • Die Höhendifferenz zwischen Start- und Endpunkt der Fahrt darf höchstens 100 Meter betragen, pro 100 km dürfen kumuliert höchstens 1.200 Höhenmeter erreicht werden; die maximale absolute Höhe beträgt 1.300 Meter.
  • Das Gewicht des Fahrzeugs kann maximal 90 Prozent der Summe der „Masse der Passagiere“ und der „Nutzlast“ betragen.
  • Die Umgebungstemperatur darf zwischen -7°C und +35°C liegen.

Autor: Mathias Ebeling

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1 Kommentar

  • Pano

    Pano

    Vielen Dank, daß ihr euch die Mühe macht das Thema verständlich darzustellen. Das kann man entsprechend grafisch aufbereitet auch auf der Daimler-Seite: https://www.daimler.com/nachhaltigkeit/produkt/wltp.html. Trotzdem werde ich es mir nochmal durchlesen müssen, um mir eine Meinung darüber bilden zu können inwieweit WLTP und RDE die Ermittlung von Verbrauchs- und Emissionswerten dauerhaft realistischer gestalten. Grüße Pano

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