Nachdem der Trend zu Elektroautos in China kräftig angeschoben wurde, geht die dortige Regierung nun den nächsten Schritt – bei deutlich reduzierten Subventionen. Ein Vorbild für Europa?
Die Taktik in China war die gleiche wie hier in Europa. Mit stattlichen Zuschüssen und üppigen Steuererleichterungen schob man den chinesischen Kunden auf den Elektroweg. Die Nachfrage nach Elektroautos und Plug-In-Hybriden sprang an und so reduzierte die chinesische Regierung die Subventionen für den Kunden schrittweise wieder. Nach Informationen der Analysten von Global Data will der größte Automarkt der Welt sein derzeitiges System der Gutschriften für umweltfreundliche Fahrzeuge durch eine neue Politik ersetzen, die sich weitgehend auf die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen konzentriert. Diese Änderungen sollen China dabei helfen, die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens und das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahre 2060 zu realisieren.
Das aktuelle System von sogenannten Green-Car-Credit- oder NEV-Credits ist ein kreditbasierter Mechanismus, der bis 2023 aktiv ist und bei dem den Autoherstellern Punkte für den Verkauf von Elektrofahrzeugen oder kraftstoffsparenden Fahrzeugen gutgeschrieben werden. Die Gutschriften können über Zertifikate mit anderen Unternehmen gehandelt werden, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen, etwaige Defizite beim durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch (Corporate Average Fuel Consumption / CAFC) auszugleichen oder die Strafen für kohlenstoffintensivere Modelle zu verringern. „Die Politik zielt darauf ab, die vielfältigen regionalen Anreize durch eine einheitliche landesweite Politik zu ersetzen, die die Autohersteller dazu anhält, durch den Verkauf von Elektrofahrzeugen Kohlenstoffneutralität zu erreichen“, erläutert Bakar Sadik Agwan, Senior Automotive Analyst bei Global Data, „auch wenn die Absichten richtig waren und auf das übergeordnete Ziel der Kohlenstoffneutralität abzielten, gab es eine Reihe von Herausforderungen und Unzulänglichkeiten. Die bestehende Kreditpolitik hat viele Hersteller dazu veranlasst, die Produktion von E-Fahrzeugen der von Verbrennungsmotoren vorzuziehen, aber die Branche kämpft jetzt mit Überkapazitäten und Marktfragmentierung, was der Regierung Sorgen bereitet.“
Ähnlich wie in China sieht es mittlerweile auch in Europa aus. Weil die Hersteller mit Hochdruck daran arbeiten, ihre elektrifizierten Fahrzeuge so schnell als möglich auf die Straße zu bekommen und das Modellportfolio so grün wie möglich zu machen, fließt seit Jahren deutlich weniger Geld in die Entwicklung moderner Verbrennungsmotoren. Einige Hersteller verabschiedeten sich dabei nahezu komplett aus der Weiterentwicklung der effizienten Dieselaggregate, die in den USA gerade bei großen Pick Ups und SUV eine Auferstehung feiern. Die Kraftstoffverbrauchsverbesserung für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ist in China seit dem Jahre 2018 jedoch spürbar zurückgegangen, da die schwache CAFC-Leistung durch einen stärkeren Fokus auf die EV-Produktion ausgeglichen werden konnte.
„Das neue chinesische Emissionshandelssystem ähnelt dem EU-Emissionshandelssystem, das auf dem "Cap-and-Trade-Prinzip" basiert, bei dem eine Obergrenze für die zulässigen Emissionen in der Automobilproduktion festgelegt wird, die im Laufe der Zeit reduziert wird“, erklärt Bakar Sadik Agwan, „im Rahmen dieser Obergrenze können die Hersteller Emissionszertifikate kaufen, die bei Bedarf mit anderen Herstellern gehandelt werden können. Das ETS würde die Kontrolle der Emissionen in der gesamten - sehr energieintensiven - Automobilproduktion gewährleisten.“ Denn die Fahrzeuge an sich sind nicht das einzige Problem. Zahlreiche Autohersteller haben sich mittlerweile verpflichtet, in den kommenden 20 Jahren komplett klimaneutral zu werden. Daimler beispielsweise will bis zum Jahre 2039 die eigene Neuwagenflotte CO2-neutral werden lassen. „Auf lange Sicht soll sich die Wertschöpfungskette zum Wertschöpfungskreislauf entwickeln“, so Daimler-Konzernvorstand Ola Källenius. Bereits kommendes Jahr will der schwäbische Premiumhersteller die Fahrzeugproduktion in seinen europäischen Werken CO2-neutral werden lassen. Ohne ein grünes Klimasiegel muss man es bei Daimler-Ausschreibungen zukünftig gar nicht mehr versuchen.
„Bei der Umsetzung unseres langfristigen Ziels der Klimaneutralität setzen wir neben der konsequenten Elektrifizierung unserer Produktpalette auch in der Lieferkette an: Bereits für die nächste Fahrzeuggeneration unserer Produkt- und Technologiemarke EQ soll ein Teil der Batteriezellen zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden“, erläutert Entwicklungs- und Einkaufsvorstand Markus Schäfer. Volvo will bis zum Jahre 2025 die Co2-Emissionen in der Lieferkette um mindestens ein Viertel reduzieren. Das sind die gleichen Vorgaben wie für das eigene Unternehmen.
Bestehende Sternen-Werke werden CO2-neutral umgerüstet; neue Fertigungen wie die Factory 56 in Sindelfingen werden ohnehin nach den Vorgaben errichtet. Auf dem Dach der modernsten Daimler-Fabrik befindet sich dafür zum Beispiel eine Hightech-Photovoltaikanlage, die jährlich 5.000 MWh selbst erzeugten grünen Strom in das Werk einspeist. „Mit der CO2-neutralen Produktion in unseren europäischen Pkw-Werken leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele unseres Unternehmens. Die Factory 56 dient als Blaupause für unsere künftigen Werke – nicht nur in Bezug auf modernste Produktionstechnologien, sondern auch in Bezug auf Umweltschutz, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit“, erklärt Jörg Burzer, Produktionsvorstands bei Daimler. Bei anderen Autoherstellern geht das in eine ähnliche Richtung. In China genauso wie in Europa.
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