Reportage: Mit dem smart forfour ed zurück in seine Heimat

Wie schlägt sich der kleine Stromer auf langer Strecke?

Reportage: Mit dem smart forfour ed zurück in seine Heimat: Wie schlägt sich der kleine Stromer auf langer Strecke?
Erstellt am 2. Juni 2021

Klar, der elektrische smart forfour ist für die City gedacht. Doch bevor er beizeiten eingestellt wird, gilt es zu zeigen, dass man mit ihm auch einmal auf die Langstrecke gehen kann – zurück in seiner Heimat Slowenien. Anders als es sich viele denken, kommt der smart forfour, seit Jahren nur noch als Elektromodell zu bekommen, nicht aus dem Stammwerk in Hambach, das sich mittlerweile der Geländewagenhersteller Ineos für seinen Grenadier gesichert hat, sondern aus Novo Mesto in Slowenien. Hier läuft der smart forfour ed mit seinem Zwillingsbruder Renault Twingo vom Band und wird per Transporter in die einzelnen Märkte transportiert. Diesmal geht es andersherum. Von Stuttgart beziehungsweise München aus geht es auf einem Roadtrip auf eine für ihn vergleichsweise lange Reise. Die erste Etappe führt den Pseudo-Schwaben als leichtes Vorspiel von Stuttgart nach München und von dort beginnt die echte Reise nach Slowenien. Morgens geht es nach obligatorischem Coronatest weiter nach Graz und nach einem nächtlichen Zwischenstopp von dort aus nach Novo Mesto.

Klar, das langsam auslaufende Doppelpack aus smart Fortwo und dem viersitzigen forfour ist an sich für die Innenstadt gedacht. Doch gerade der Fortwo Electric Drive ist für den ein oder anderen das einzige Auto in seinem kleinen Hausstand. Und wie sieht es aus, wenn man mit dem dann doch einmal auf die Reise gehen möchte. Eine Strecke von 400 bis 700 Kilometern ist eine klassische Urlaubsstrecke, die man mit dem Auto zurücklegt und hierfür weder Zug noch Flieger nehmen will – schon allein, um auch am Urlaubsort in Dänemark, Norditalien, Österreich oder Kroatien günstig mobil zu sein. Und selbst wer einen elektrischen Cityflitzer im Alltag von Hamburg, Berlin, München oder Stuttgart nutzt, muss sich nicht zwangsläufig einen Mietwagen nehmen, wenn es über das Wochenende oder den Urlaub auf die Reise geht. Der Selbsttest soll zeigen, dass der smart forfour ebenso wie sein Zwillingsbruder Renault Twingo Electric in Ausnahmefällen allemal etwas für die längere Strecke sein kann. Dafür ist die Strecke von München nach Graz oder eben zur Produktionsstätte des smart forfour im slowenischen Novo Mesto mit 420 beziehungsweise knapp 650 Kilometern geradezu ideal.

Und überraschend wenig Sorgen muss man sich bereits vor dem Start um die Infrastruktur machen. Ladesäulen gibt es in Deutschland, Österreich und Slowenien allenthalben. Sowohl in den Innenstädten als auch an Autobahnen und Landstraßen kann der forfour überall weitgehend entspannt auftanken – zumindest, wenn man den Ladekarten Glaubens schenkt. Eine wichtige Entscheidung wird einem dabei abgenommen, denn einen Hochgeschwindigkeitslader mit 50, 150 oder noch mehr Kilowattstunden muss man sich für den kleinen Viersitzer nicht suchen; er kann allein über den normalen Ladestecker mit maximal 22 kWh betankt werden.

Der nahezu lautlose Elektromotor im Heck lässt einen den schnatternden und rasselnden Verbrenner in keiner Sekunde vermissen. Bei regennassem Wetter geht es nach dem Zwischenstopp aus Stuttgart kommend und zwei Ladepausen in München los. Vollgeladen am Deutschen Museum zeigt der kleine Reichweitencomputer stattliche 180 Kilometer an – mehr als man es erwartet hätte. Es ist feucht, nein nass und so werden Lüftung und Klimatisierung gestartet – der Reichweitenzähler bricht per Knopfdruck auf gerade einmal 126 Kilometer zusammen – ein kurzer Schock, der sich jedoch beim Auffahren auf die Autobahn A94 Richtung Osten schnell nivelliert und wieder ein paar Kilometer mehr anzeigt. Mit seinen 60 kW / 81 PS ist der forfour ed nicht nur flott genug, um im fließenden Verkehr der Innenstadt mitzuschwimmen, sondern auch auf der Autobahn geht es munter voran. Die 160 Nm maximales Drehmoment sind nicht viel für einen kleinen Zwischenspurt und bei der Tachoanzeige von 140 km/h – real rund Tempo 130 – wird ohnehin elektronisch abgeregelt. Für die kleine Elektroknutschkugel, die nur heute einmal auf große Reise geht, reicht das allemal aus.

Damit die Reichweite die gewünschten Ergebnisse erzielt, wird nach dem Start obligatorisch der Ecomodus zugeschaltet, der dem 3,50 Meter langen Hecktriebler etwas die Dynamik raubt, aber 120 km/h Spitze reichen eben auch. Ohnehin ist es voll auf der Autobahn und so geht es auf der A94 heraus aus München grob Richtung Mühldorf und Bad Füssing. Da der smart auf ein eigenes Navigationssystem verzichtet, spiegelt man das eigene smartphone auf dem Display und lässt das Digitalradio dudeln. Mehr braucht keiner. Nach der Startladung in München (46 Minuten, 8,3 kWh für 2,41 Euro) steht der erste Zwischenstopp in Töging nach rund 80 Kilometern an. Hier lädt der forfour 50 Minuten lang ebenfalls mit 22 kW insgesamt 14,4 kWh auf – kostet 4,18 Euro. Leider gibt es in dem namenlosen Gewerbegebiet nahe der Autobahn A94 weder ein Café oder einen Supermarkt und so muss die eigene Verpflegung für Labsal sorgen. Unterhaltung bietet bei anhaltend leichtem Regen die eigene WLan-Funkzone für Emails.

Klar ist, wer schnell von A nach B oder gar ans Ziel seiner Träume kommen will, sollte die Elektromobilität auf Mittel- und Langstrecken schnell wieder aus seinem Kopf streichen. Das Fahren ist das eine; das Laden etwas anderes und das kostet Zeit oder vielleicht auch einmal ein paar Nerven. Da es nach erfolgreichem Grenzübertritt Richtung Österreich auf der Landstraße 148 und der Weiterreise Richtung Süden auch auf der Autobahn A9 munter weiterläuft, dürstet es den regengebeutelte smart forfour ed in der Nähe von Haag am Hausruck nach erneuter Energieaufnahme, denn die Reichweite springt von 20 Restkilometern auf ein paar Striche im Bordcomputer. Letztlich sind es gerade noch rund zwölf Prozent. Die lokale Ladesäule zickt und so braucht es mehrere Versuche. Letztlich lädt das rote Spielmobil in 1.13 h auf stattliche 100 Prozent wieder auf, während es eine kleine Kaffeepause im Café ein paar Kilometer weiter und nicht in dem McDrive nebenan gibt.

Zwischendurch folgen ein paar Regenpausen doch auf der weiteren A9-Strecke nach Graz wird es sintflutartig. Dabei schlägt sich der smart abgesehen von einer mäßigen Klimatisierung ganz redlich. Der niedrige Schwerpunkt gefällt, die Sitze passen auch für längere Strecken und man würde übertreiben, wäre es eine Entbehrung, mehrere hundert Kilometer am Stück zu fahren. Das Problem sind nicht allein die Ladepausen, die nach jeweils rund 100 bis 120 Kilometern anstehen, sondern eben die Ladezeit bei schlechtem Wetter zu verbringen, wo sich vor dem Unfallkrankenhaus in Kalwang die einzige Ladesäule befindet, die hier in Ecke mit App und Ladekarte arbeiten will. 300 Meter weiter an zwei Ladesäulen einer Tankstelle verstanden sich smart und Ladepunkt aus unerfindlichen Gründen überhaupt nicht. Ohnehin gibt es hier nur elf Kilowatt Leistung und die Pausen werden etwas länger – und länger ehe der Bordcomputer wieder auf über 100 Kilometer springt.

Bevor es über die Pyhrnautobahn bis ins schmucke Graz zum Übernachtungsstopp nebst Schnitzelvöllung geht, muss nicht noch einmal nachgeladen werden und nach den ersten 412 Kilometern darf sich der smart forfour in der Citygarage von strömendem Regen und überfluteten Straßen erholen – auch hier gibt es im Untergeschoss Ladesäulen mit genügend Energie für die morgige Finaletappe von rund 230 Kilometern nach Novo Mesto.

Der nächste Morgen bringt endlich besseres Wetter, was nicht allein der Stimmung, sondern auch der Reichweite guttut, denn entsprechende Verbraucher wie Lüftung, Klimaanlage, Sitzheizung, Licht oder beheizbare Heckscheibe, die die Reichweite merklich einschränken, bleiben zunächst einmal arbeitslos. Bei einem Verbrenner macht man sich darüber keinerlei Gedanken und schaltet munter ab oder zu, was dem Reisekomfort und dem Wohlfühlwert nennenswert zuträglich ist. Bei einem Elektroauto, gerade einem mit einem kleinen Akkupaket, sieht das ganze schon anders aus.

In Slowenien sieht es mit dem gut ausgebauten Ladenetz aus Deutschland oder Österreich auf einmal ganz anders aus. Hier hakt es nicht nur bei der Geschwindigkeit und den Ladestationen an sich, sondern auch beim Handling, denn mit Volumenkarten wie Ionity oder EnBW läuft selbst im Großraum Maribor nichts. Hier kostet die Kilowattstunde Strom zwar nur 25 bis 30 Cent, jedoch muss man sich aufwendig vor Ort bei speziellen Anbietern wie dem Tankstellenbetreiber Petrol anmelden. Die Vertragsbedingungen nebst zu bestätigenden AGB sind jedoch nicht für ein smartphone optimiert und so muss eigens Pad oder Notebook ausgeklappt werden, um sich zwei weitere Ladungen mit maximal elf kWh zu holen. Mit den letzten beiden zehn beziehungsweise elf Kilowattstunden starken Stromstößen für 2,40 und 2,60 Euro geht es letztlich über schmucke Landstraßen, durch bewaldete Landschaften und pittoreske Ortschaften bis ins finale Novo Mesto, wo der smart forfour im dortigen Renault-Werk, am Freitagnachmittag gespenstisch ausgestorben, einst produziert wurde.

Kann man sich eine 700-Kilometer-Tour mit einem elektrischen smart forfour nunmehr zumuten? Man kann, denn der forfour überzeugt mit seinem Reisekomfort für einen 3,50 Meter langen Kleinwagen allemal. Dass er mit maximal 22 Kilowatt pro Stunde laden kann, stört weniger als das kleine Batteriepaket, doch das ist im Alltag schließlich für den Citybereich und das nähere Umfeld der Stadt gedacht. Wenn es dann doch einmal für ein Wochenende nach Norditalien, Dänemark oder die Niederlande für 300 oder 400 Kilometer gehen soll, muss man sich nichts zwangsläufig einen Mietwagen nehmen und selbst Bahn und Flieger machen wohl mehr Aufwand, als ein paarmal nachzuladen.

Der Verbrauch des smart forfour Electric Drive ist mit 16,5 kWh auf den knapp 650 Kilometern allerdings recht stattlich; gerade wenn man bedenkt, dass durchgängig im Ecomodus gefahren wurde und somit mit 120 km/h Schluss mit lustig war. Durchschnittstempo immerhin 63 km/h. Wer auf die Kosten schaut, wird überrascht sein, denn teuer ist der Trip durch einen nennenswerten Teil von Europa nicht. Insgesamt liegen die Ladekosten bei nicht einmal 30 Euro. Dafür ist selbst ein One-Way-Busticket kaum zu bekommen. Allein die Ladepausen gehen noch etwas ins Geld, wenn es an Cappuccino, Schnitzel oder einen schnellen Einkauf geht.

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