Die Mercedes G-Klasse bekommt im Sommer nächsten Jahres eine Modellpflege spendiert. Das Highlight ist das hydraulische Fahrwerk. Das bekommt allerdings nur der AMG G 63. Das Fahrwerk ähnelt dem des Mercedes SL und hält, was es verspricht.
Bei den großen SUVs herrscht gerade eifriger Aktionismus. Ehe die Elektroantriebe auch bei den Crossovern Einzug halten, werden die statusträchtigen und nicht ganz billigen Stelzenfahrzeuge noch mal aufgepeppt. Porsche macht es beim Cayenne vor und Mercedes zieht bei der G-Klasse nach. Schließlich wollen die Konzernstrategen nicht auf die Einnahmen und hohen Gewinnmargen der Klassiker mit Verbrennungsmotor verzichten. Die Mercedes G-Klasse bekommt im nächsten Sommer eine Modellpflege spendiert, bei der Aerodynamikelemente vom EQG übernommen werden und neue Motoren den Weg in den Geländewagen finden. Alle Verbrenner bekommen eine 48-Volt-Mildhybridisierung. Auch einen Diesel wird es geben. So weit, so gut. Dass der G500 dann ein Sechszylinder ist, wird die Traditionalisten kaum freuen. Immerhin bleibt es beim Kraftwürfel AMG G 63 mit einem brachialen Achtender beim Alten. Doch das echte Highlight ist beim Topmodell das Fahrwerk. Genauso wie es die Kollegen aus Zuffenhausen beim Cayenne verpassen die Affalterbacher der Top-G-Klasse neue hydraulische Beine.
Hydraulisches Fahrwerk? Da rauft sich jeder Fahrer des Mercedes SL der Baureihe R230 die Haare. Schließlich gilt die Technik, die im Edel-Roadster Anfang der 2000er-Jahre für Aufsehen sorgte, als gut, aber eben auch als anfällig. Grund war damals eine zu kurze Entwicklungszeit. Wenn sich ein Schwabe erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das auch durch. Dem marketingeschwängerten Namen zum Trotz erweist sich die AMG Active Ride Control beim Roadster und dessen GT-Bruder als echter Federungs-Könner mit einer breiten Spreizung der Fahrmodi: komfortabel, wenn gewünscht, sportlich straff, wenn nötig. Allerdings geht die Dynamik- Einstellung nicht mit einer kompromisslosen Härte einher, die einem gleich den Straßenstaub aus den Kleidern schüttelt, nur weil man über eine Bodenwelle fährt.
Das klingt vielversprechend. Dementsprechend stringent fällt auch die Logik der Affalterbacher Fahrdynamiker beim hauseigenen Geländewagen aus: Was dem schnellen Roadster recht ist, kann dem G 63 nur billig sein, lautet die Schlussfolgerung. „Wir haben die Grundlagen des SL-Fahrwerks übernommen und dann ganz für die G-Klasse abgestimmt“, erklärt Agilitäts-Spezialist Ralf Haug. Das Prinzip des vollhydraulischen Fahrwerks ist also genauso identisch wie der Name. „Wir verschieben letztendlich Hydrauliksäulen“, verdeutlicht der Ingenieur. Das geschieht über Kreuz per Zug- und Druckstufe der Dämpfer. Wenn die Karosserie sich in einer Kurve neigt, dann stemmt sich das Hydrauliköl per Pumpe dagegen, um den Aufbau möglichst gerade zu halten. So einfach wie es klingt, ist das Unterfangen nicht. Schließlich kommt das Fahrwerk ohne klassische Stabilisatoren aus. Das regelt die Hydraulik und ist damit schneller und feinfühliger als bei einer elektromechanischen 48-Volt-Wankstabilsierung.
Zudem sind die Federwege, die Achskinematik und vor allem das Gewicht bei der G-Klasse andere als beim Stoffdach-Sportler. Also müssen auch die Drücke, die die elektrische Pumpe aufbaut, höher sein, um die Karosserie nach oben zu stemmen. Dazu kommen die vielen Parameter, die beim Abstimmen des Fahrwerks mitspielen und unter einen Hut gebracht werden müssen: Darunter die Drehmomentverteilung am Rad, die Leistung des Motors, die Geschwindigkeit und die agilitätsfördernden Bremseingriffe des ESP.
Wir haben einen ersten Vorgeschmack bekommen, wie leistungsfähig das neue Power-Fahrwerk ist, das es in zwei Varianten geben wird. Entweder mehr auf Off-Road getrimmt oder für asphaltierte Wege. Aber der Reihe nach: Auf einer klassischen anspruchsvollen Geländestrecke sind die Ventile der Dämpfer offen, die Karosserie entkoppelt und die Verschränkung der Achsen maximal. Die G-Klasse macht ihrer Tradition als Alles-Bewältiger auch als AMG G 63 alle Ehre und überwindet selbst steile Hügel und große Hindernisse, ohne nur einmal in Stocken zu geraten. „Mit diesem Auto komme ich überall hin“, erzählt Entwickler Tobias Kress und fügt hinzu, dass das alles auch ohne die bekannten drei Sperren, die in jeder G-Klasse gesetzt sind, möglich ist. Ein Blick auf die Mittelkonsole zeigt, dass die Sperren und Untersetzung tatsächlich deaktiviert sind. Als wir einwenden, dass diese Systeme zu einer Mercedes G-Klasse gehören wie eine Schlammdurchfahrt bei einem Camel Trophy, ernten wir ein freundliches, wenngleich etwas mitleidiges Lächeln.
Beeindruckend ist, mit welchem Komfort die G-Klasse die Über-Stock-und-Stein-Tour absolviert. Das Fahrwerk schluckt jede Bodenwelle und lässt sich auch nicht durch große versetzt stehende Hügel aus der Ruhe bringen. Wie gut die Kombination aus Federn, Dämpfer und Hydraulik zusammenarbeitet, wird im sogenannten Sandloch deutlich, einer Hochgeschwindigkeitsbahn aus festem Sand mit kleinen Hügeln und ausgefahrenen tiefen Fahrspuren sowie mächtigen Kuhlen. Hier ballert der über zwei Tonnen schwere Geländewagen darüber, als ob kein Morgen mehr gäbe. Bei jedem anderen SUV hätte unser Magen-Sensor Alarm geschlagen, nicht so beim neuen AMG G 63. „Das würde kein SUV mit einem herkömmlichen Fahrwerk samt Stabilisatoren so hinbekommen“; strahlt Tobias Kress.
Orts- beziehungsweise Belagswechsel. Rauf auf den Asphalt. Jetzt soll das Wunderfahrwerk doch mal zeigen, was es kann, wenn es im Haifischbecken der Straßensportler zur Sache geht. Auch hier haben die Entwickler nicht zu viel versprochen. Die Spreizung der wichtigsten Fahrmodi Comfort, Sport und Sport+ ist ausgeprägt, wobei auf den meisten Straßen Sport unsere erste Wahl ist, da die Karosserie etwas mehr angebunden ist, und so nerviges Nachwippen unterbunden wird. Selbst in Sport+ ist das Fahrwerk nicht unharmonisch prügelhart. Fahrdynamisches Augenmaß ist die Maxime. Geht es über ein Kopfsteinpflaster, registriert die Oberflächenerkennung (Federweg) das und macht die Dämpferhärte weicher. Beim Feuer-Frei-Fahren agiert der Stelzen-AMG eher wie ein sportlicher Pkw. Die Lenkung ist harmonisch, der G 63 fährt genau dahin, wo der Fahrer es will und der Aufbau bewegt sich nur marginal. „Das Rest-Wanken in schnellen Kurven ist beabsichtigt, um ein natürliches Fahrverhalten darzustellen“, erklärt Ralf Haug. Möglich wird diese feine Abstimmung durch die Variabilität des Hydraulik-Systems. Wer will, kann unabhängig vom Fahrprogramm mit dem linken der beiden bekannten AMG-Satelliten den Hydraulikdruck des Fahrwerks justieren. Also weicher (weniger Druck), ausgewogen (mittelmäßig) und straff (hoher Druck).
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