Was macht man nicht alles, wenn man vom Allrad-Bazillus befallen ist. Joachim Gertenbach, in der Szene der Fernreisenden kurz als Joe bekannt, wagte sich an die Restaurierung eines Mercedes G aus dem Baujahr 1980. Erfahrung mit Allradmobilen hat Gertenbach reichlich. Der im Rheinhessischen ansässige Inhaber eines Vertriebs für Oberflächenspiegel und Broadcast-Equipment hat bereits in liebevoller Kleinarbeit einen Allrad-Lkw mit Stern zum Fernreisemobil der Extraklasse aus- und umgebaut. Daher weiss er um die gute Ersatzteilversorgung bei Mercedes, um die Qualität der Fahrzeuge und den guten Service.
Werbeträger gesucht
Seit Januar 2011 ist er selbständig und suchte für sein neu gegründetes Unternehmen einen Pkw. Der sollte gleichzeitig als Werbeträger für die Firma dienen und, logisch, Allradantrieb haben. Und nach Möglichkeit auch wieder einen Stern auf der kantigen Haube tragen. Da kam ihm ein gebrauchter, dreitüriger Mercedes G 300 Diesel aus dem Baujahr 1980 gerade recht. Denn mit seinem Alter von mehr als 30 Jahren ist der G tauglich für ein H-Kennzeichen. Das erlaubt das Befahren von Umweltzonen, die Gertenbach hin und wieder aus beruflichen Gründen aufsuchen muss. Die relativ günstigen Kosten für Steuer und Versicherung bei einem Oldtimer waren ebenfalls ein nicht zu unterschätzendes Argument.
G-Klasse mit Handlungsbedarf
Leider erwies sich das Fahrzeug, das sich Joe zugelegt hatte, als nicht ganz so gut erhalten wie gehofft und erwartet. Der anfallende Arbeitsaufwand für eine Restaurierung schien extrem hoch. Aber der Teufel ist ja bekanntermaßen ein Eichhörnchen. Und so ergab es sich, dass Joe im Verlauf verschiedener Benzin- und Diesel-Gespräche von einem weiteren Enthusiasten erfuhr, der zufällig einen sehr gut erhaltenen Rahmen inklusive Karosserie und - aus Gertenbachs Sicht - optimaler Motor- und Achskombination verkaufen wollte. Einen 240-er D mit langen Achsen und einer kräfteschonenden Servolenkung. Zusätzlich gab es zu dem Wagen im Paket noch ein drittes Fahrzeug, das Motor und Achsen liefern konnte, und dazu diverse Kleinigkeiten, die man eben auch immer gut gebrauchen kann. Ansonsten war auch das Spenderfahrzeug Nummer zwei in einem, wie Gertenbach lapidar bekennt, „sehr schlechten Zustand“.
Der Wiederaufbau
Die Restaurierung begann mit dem Abbau der Karosserie und der vollständigen Entfernung des gesamten "Innenlebens". Kabelbaum, Armaturen, Sitze, Scheiben, alles musste raus. Rahmen und Fahrerhaus und diverse weitere Teile wurden zunächst geschliffen und entrostet. Die hinteren Kotflügel waren auch nicht mehr optimal, Joes Schrauber-Kumpel "Manic-Mechanic" Dirk flexte sie heraus, Freund Orest schweißte die neuen Kotflügel ein. Sämtliche Fugen wurden mit dem Messer nachbehandelt, für einen möglichst originalen "Look".
Alle Roststellen wurden bis aufs Metall runtergeflext, dann kam reichlich Rostschutz drauf. Schließlich soll das Schätzchen ja ein paar Jahre gut überstehen und seinem neuen Besitzer beste Dienste leisten.
Gib dem Gilb keine Chance
Als gute Investition in die Zukunft sieht Gertenbach auch weitere Maßnahmen wie etwa den komplett mit Unterbodenschutz gespritzten Fahrzeugboden. Sämtliche Hohlräume der Karosserie wurden mit Mike Sanders Hohlraumschutz geflutet, gut fünf Kilogramm gingen alleine für die Holme des Fahrzeugs drauf. Die ehemals weiße Karosserie sah nach diesen ganzen Arbeiten schön dunkelrot aus, die Farbe des Rostschutzes. Gespritzt wurde in der Halle, mit "Bordmitteln".
Parallel zu den Karosseriearbeiten und den Lackierungsvorbereitungen am Fahrerhaus wurden Motor und Achsen aus dem „Spender-Fahrzeug“ ausgebaut. Die Kupplung erwies sich noch als absolut okay, lediglich das hintere Lager musste erneuert und ersetzt werden. Auch das Fünfgang-Getrag Getriebe passte – und war noch in Ordnung. Auch der Tank sieht noch gut aus und ist noch dicht, zur Freude von Joe und seiner Mitstreiter. Die Achsen wurden schon mal in Position gebracht und für die Aufnahme des Motors vorbereitet. Die Bremsleitungen erneuerte Freund Andy. Der meinte zwar, die neuen sähen in einem Jahr wieder genauso aus wie die alten – aber da gerade alles so schön auseinander genommen ist, kommt man jetzt überall bestens dran. Das muss ausgenutzt werden.
Lack mich mal
Währenddessen wurde die vorbereitete Karosserie des Dreitürers zweimal gefillert und geschliffen. Jedes Mal fallen noch Kleinigkeiten auf, hier und da sollte man noch mal dringend nachbessern. Schließlich soll das Ergebnis dem Stern ja alle Ehre machen.
Denn nach längerer Überlegung hat Joe von einer Lackierung im „Wasserfall-Style“ dann doch Abstand genommen. Der „Wasserfall-Style“ ist übrigens ganz einfach zu realisieren: Mit der Lackierpistole lang mit dünnem Lack auf das Blech draufhalten, die Läufer in Blau mit Weiß geben dann einen netten dreidimensionalen Wasserfall-Effekt. Statt dessen kommt, wieder mal, RAL 1002 zum Einsatz, wie schon bei Joes Expeditionsmobil. Ohne "Läufer", ohne „Nasen“.
Endspurt
Schön war der Tag, an dem der Motor wieder drin, der Kabelbaum verlegt und die Lenksäule eingebaut war. Nun ging es an die Innenverkleidungen und den Einbau der Rücksitzbank. Die Recaros für Fahrer und Beifahrer sind zwischenzeitlich gesaugt und mit Teppichreiniger vom gröbsten Dreck der Jahre befreit worden. Endlich stand der 300-er G wieder auf eigenen Rädern. Für die Montage der Leichtmetallfelgen war der Anbau von Kotflügelverbreiterungen notwendig. Damit der „Gammel“ – andere sagen Rost - im hinteren Kotflügelbereich ein Ende hat, wurden dort gleich die Innenkotflügel aus Kunststoff aus dem 461-er Modell verbaut. Das sollte der „braunen Pest“ das Einnisten vor allem im Bereich der Rückleuchten dauerhaft erschweren. Kühlergrill und Stoßstange wurden wieder verschraubt, und für den zeitgemäßen Look kamen natürlich auch Nebelscheinwerfer an die Frontpartie. Bei der Gelegenheit wurde auch gleich die Elektrik beim Armaturenbrett „aufgeräumt“. So langsam näherte sich der G seiner Vollendung.
Die letzten Ein- und Umbauten erfolgten am im Winter, kurz nach Weihnachten. Knapp vor dem Jahreswechsel ging es dann mit Kurzzeit-Kennzeichen zunächst zur Mercedes-Werkstatt in Bad Kreuznach. Dort wurden die Abgasuntersuchung und ein Bremstest gemacht. Mit den entsprechenden Bescheinigungen ging es dann zur der TÜV-Abnahme, und zur Erteilung des H-Gutachten für den 30 Jahre alten Oldtimer. Beides absolvierte der G mit Bravour. Somit stand einer Zulassung als „historisches Fahrzeug“ nichts mehr im Weg. Laut Definition ist der G, der durch den verbauten Fahrwerkskit recht hoch geraten ist, also in einem guten Erhaltungszustand und dient der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes (...).
G wie gelungen: Ende gut. Alles gut.
Joes Erfahrungen bei der Restaurierung seines G unter dem Motto „aus drei mach eins“: Hilfreich sind spezielle Unterforen einschlägiger Internet-Foren, wo einem immer wieder mit Rat und Tat geholfen wird. Die Versorgung mit Ersatzteilen über Mercedes-Benz läuft absolut problemlos, dennoch hat sich Gertenbach auch hin und wieder bei Händlern aus Österreich –mit Teilen von Steyr-Puch – bedient.
Do-it-yourself-Bücher wie zum Beispiel „jetzt helfe ich mir selbst“ erwiesen sich teilweise als nur wenig hilfreich bei der Restaurierung – auch,weil etwa der Stromlaufplan des 300-er G fehlte. Als wesentlich ergiebiger zeigte sich da die Internetseite von Hans Hehl (www.hanshehl.de), deren umfangreiche Sammlung hilfreiche Hinweise enthält. Und, eine wichtige Erfahrung hat Gertenbach bei seinem G auch gemacht: Der Drehzahlmesser wird NICHT über Klemme W angesteuert. Obendrein sei, so der Rheinhesse, gerade bei den G-Modellen aus den ersten Baujahren, der Rost das wohl größte Problem bei der Restaurierung des Fahrzeugs. Mittlerweile rollt der G von Joe bereits seit einigen Jahren über deutsche Straßen – ruhig und gelassen, mit H-Kennzeichen und zur vollen Zufriedenheit seines Besitzers. Der wird häufig auf das Schmuckstück angesprochen – womit das Ziel, den Wagen auch als Eyecatcher einzusetzen, als vollauf erreicht betrachtet werden kann.
105 Bilder Fotostrecke | Auf-G-baut: Restauration eines Mercedes G Baujahr 1980
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