Kleines Auto großer Motor! Eine B-Klasse mit V8? Wer braucht denn sowas? Falsche Frage! Klappt das überhaupt und wer kann sowas? B wie brachial oder B wie Begeisterung? Ein bisschen von beidem, aber vor allem B wie Klasse - B-Klasse! Große Klasse im kleinen Auto. Ob Sie es glauben oder nicht, unter dem Blech steckt ein V8 und angestiftet hat die Azubis ihr Meister mit dem fast schon programmatischen Namen Würz!
Wissen Sie eigentlich wie es bei Ihrem Lieblings-Hersteller zugeht? Was machen die eigentlich mit dem Kapital, dass die Aktionäre zur Verfügung stellen? Darf man sich das ungefähr so vorstellen?
Nach einem entspannten Wochenende kommt Daimler-Chef Dr. Dieter Zetsche morgens in eine Produktionshalle und richtet sich an seine Mitarbeiter: Liebe Kollegen und Mitarbeiter, wie Sie alle wissen produzieren wir eine A-, eine B- eine C- und eine E-Klasse! Ich frage Sie, was fehlt? Eine D-Klasse? Nein, Sie glauben nicht, dass Autos so gebaut werden, oder? Stimmt, Sie haben recht.
B55 als Zeichen von Kreativität und Begeisterung für die Marke
Den Antrieb übernimmt ein 388 PS starker 5,5-Liter-V8 mit 530 Newtonmeter Drehmoment, die Kraft wird über eine Siebengang-Automatik an die Hinterachse geleitet
Die Kreativität eines Automobil-Konzerns wird nicht zentral verordnet, sie sprudelt viel mehr aus zahlreichen Ritzen. Daran arbeiten nicht nur die dafür eingesetzten Chefkreativen mit, dieser Prozess erstreckt sich bei der Daimler AG durch und über alle Bereiche. Da gibt es professionelle Querdenker im Daimler-Konzern, die lassen Mitarbeiter zu Musik um einen Tisch marschieren und dabei Ideen auf Zettel schreiben, die dann strukturiert und weitergedacht werden. Da kommt tatsächlich was bei raus. Lesen Siebitte weiter
Und es gibt Menschen im Konzern, die stoßen in Bereiche vor, die undenkbar schienen und in die sich bis dato niemand vorgewagt hatte. Wie ein Flügeltürer mit Elektromotor oder eine B-Klasse mit V8! Spätestens jetzt betreten wir den Bereich der professionellen Bedenkenträger Aber wer sagt, dass Kreativität keinen Spaß machen darf.
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Der tiefere Sinn
Und einen wirklich tieferen Sinn bekommt ein Projekt wie der Mercedes B55 dann, wenn aus verschiedenen Bereichen Auszubildende beteiligt sind. Sie sind das Kapital eines Unternehmens, in ihrem Tun manifestiert sich auch die Begeisterung für ihre Marke. Hier wird fernab von Lastenheften aus dem Bauch heraus das zusammengeschraubt, was sonst ..Fernab von Lastenheften? Nein, Herr Redakteur, lassen Sie sich von der Schrauber-Romantik bitte nicht hinfort spülen. Natürlich gab es klare Vorgaben.
Steilvorlage mit Lastenheft!
Der auslösende Gedanke stammt von Rastatter Werkleiter Peter Wesp. Man müsste mal auf der B-Klasse etwas wirklich Besonderes schaffen! In diesem Moment trat Andreas Würz, Meister in der technischen Berufsausbildung, auf den Plan. Und er brachte nach einigem Vermessen der Motorbucht Schärfe ins Spiel: Wir bauen eine B-Klasse mit V8! Eine Idee, die Chef und Auszubildende gleichermaßen verblüffte wie begeisterte. Aber damit das Ganze nicht in einem reinen Spaß-Projekt ohne jegliche Anbindung an das Serienauto endete, gab es dann doch ein anspruchsvolles Lastenheft.
Das Raumkonzept der B-Klasse sollte unverändert bleiben.
Auch von außen sollten nur dezente Hinweise auf den Umbau erkennbar sein.
Der Innenraum sollte entsprechend der angestrebten neuen Fahrzeugklasse aufgewertet werden.
Und das Ergebnis des Umbaus sollte nahezu alltagstauglich sein.
Passt soeben: 5,5-Liter-V8 mit 285 kW (388 PS) und 530 Newtonmeter Drehmoment
Bekanntlich wächst man ja nun mit seinen Aufgaben und die Azubis waren begeistert. Zum einen war ihnen klar, dass sie an einem ebenso faszinierenden wie anspruchsvollem Projekt mitarbeiten durften, na und zum anderen hatte der ein oder andere sicherlich mitbekommen, was in anderen Markenbereichen so abgeht. Drehen wir den Scheinwerfer mal kurz auf eine andere Szene: In den Neunzigern haben einige talentierte Schrauber auf sich aufmerksam gemacht, in dem sie einen VR6 in einer Zweier-Golf wuchteten. Dann horchten die Szene-Insider auf, als die ersten Zweier-Gölfe mit einem Motor aus dem aktuellen Golf VI GTI auftauchten. Aber einen Achtzylinder in eine B-Klasse zu implantieren und dann diese noch in einen Hecktriebler zu verwandeln, dass hatte bis dato noch keiner probiert.
Ohnehin sind solcherlei Herztransplantationen, obwohl nicht ohne technischen Reiz, bei den Mercedes-Enthusiasten noch eher seltener Natur. Wir erinnern an dieser Selle gern an ein W123 Coupé mit C-Klasse-Triebwerk, oder an den Baby-Benz mit OM651-Diesel aus der aktuellen E-Klasse. Auch entstanden auf Initiative begeisterter Daimler-Mitarbeiter.
Jetzt kommt Würz(e) ins Spiel!
Jetzt gehts lohos: Ein braver 200 CDI stand zu Ausbildungszwecken ohnehin zur Verfügung, Meister machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Treibsatz und förderte einen kompletten V8-Antriebsstrang samt Siebengang-Automatik zu Tage. Würz: Das V8-Herz passte erstaunlich gut, wir konnten sogar die originalen Motoraufhängungen verwenden. Wer sich mit einer solchen Idee bereits einmal befasst hat, weiß, dass das räumliche Verfrachten eines solchen Motors nur ein Teil der Gesamtaufgabe ist. Nicht minder anspruchsvoll ist es, der Elektronic des Motors vorzugauckeln, dieser säße genau da, wo er ursprünglich hingehört. Und nicht in einer B-Klasse mit Heckantrieb.
Mercedes Tuning auf dem Lehrprogramm
Das Studium der hauseigenen Teilekataloge sowie einschlägiger Tuning- und Ersatzteilkataloge brachte weitere Klarheit für die Vorgehensweise. So ließ sich schnell klären, dass die Hinterachse einer W210 Mercedes E-Klasse räumlich am ehesten passen würde. Bei den Bremsen wurden die B-Klasse-Brüter bei AMG fündig. Vom C 32 AMG stammen die gelochten und innenbelüfteten Scheibenbremsen, vorn im Format 345 x 34 mm und hinten 300 x 30 mm. Und wer AMG sagt, B-Klasse baut, sollte C dann auch einen ordentlichen Radsatz verwenden. Die 18-AMG-Sporträder im Fünf-Speichen-Design (8,5 x 18 mit 235/40 ZR 18 Y v & 9 x 18 mit 255/35 ZR 18 Y h) verpassen der B-Klasse eine stilvoll elegante Dynamik, die das Auto tatsächlich in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu trägt natürlich auch das Sportfahrwerk von KW bei. Hatte bis dato eigentlich überhaupt schon einmal eine B-Klasse aufgepäppelt? Brabus, oder?
Heiß in Weiß
Verräterisch: mittig platzierte doppelläufige Auspuffanlage
Von außen sieht ein unvoreingenommener Betrachter der B-Klasse ihre Verwandlung (oder sagen wir richtigerweise die Ausweitung ihres Potenzials) vermutlich gar nicht an. Das liegt natürlich auch daran, dass die verantwortlichen Kollegen, den für die Hinterachse erforderlichen Hilfsrahmen sehr geschickt in das Stahlkorsett integriert haben, die Kardanwelle verschwindet im Sandwichboden. Kennern fallen die dunkel lackierten Kühlerlamellen und die rauchdunklen Scheinwerfern auf. Aber die die mittig geführte doppelläufige Auspuffanlage ist da schon verräterischer. Das Prachtstück ist eine Sonderanfertigung aus verschiedenen Ersatzteilpositionen und klingt genauso gut wie sie ausschaut.
Tacho bis 300 km/h!
Dem stilvollen Outfit folgt passgenau ein elegant-sportives Interieur. Unterstützung gab es von der Ausbildungswerkstatt in Sindelfingen. Die dortigen Azubis steuerten Alcantara-Verkleidungen der A-, B- und C Säulen bei sowie einen ebenfalls mit dem noblen Material bezogenen Dachhimmel bei. Bei der Sitzanlage in einer Leder-Alcantara-Kombination halfen die auf dem Werksgelände angesiedelten Spezialisten des Lieferanten Johnson Controls. Die größte Plaudertasche in dem dezent-cleveren Gesamtszenario ist der Tacho! Und der kann nun wirklich nichts dafür. Schließlich muss er ja dem Fahrer zeigen, was geht. Vorsorglich haben sich die Verantwortlichen da mal für die 300 km/h entscheiden. Klar, das ist natürlich auch ein bisschen plakativ, aber mit 388 PS und nur 180 kg Mehrgewicht gegenüber der normalen B-Klasse , dürfte das B55 getaufte B-Klasse Einzelstück schon zu den flotteren im Lande zählen.
Meister Andreas Würz: Gemessen haben wir noch nicht, aber unter sechs Sekunden sollten wir den Sprint auf 100 km/h schon schaffen.
Stolz sind beim Daimler alle Beteiligten auf den kleinen heißen Weißen. Lässt sich durch so ungewöhnliche Projekte doch nicht nur das Mitarbeiter-Potenzial verdeutlichen, sondern nebenbei auch gleich mal ausloten, wie es denn so wäre, wenn es es im Kompakt-Programm ein kräftiges Kerlchen wie den B55 gäbe. Wäre das interessant? Für die Auszubildenden war es das in jedem Fall. Und so ist fast schon davon auszugehen, dass der B55 kein Einzelfall bleiben wird.
1 Kommentar
HanSchopp
23. Dezember 2010 16:01 (vor über 13 Jahren)
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