Zeitlos: Mit einem 124er ist man auch heute noch gut angezogen. Tief gesunken ist der Mercedes-Benz E 280T aus dem Jahr 1995 also nicht - nur tiefer gelegt. Und das ist durchaus schick!
Spät in der Nacht wird das monotone Fertigungsgeräusch der Fräs- und Drehmaschinen durch ein unangenehmes Kratzen übertönt. Das ohrenbetäubende Rauschen der starkstrom- und druckluftbetriebenen Maschinen wird kurzer Hand zur Nebensache, denn durch das halbgeöffnete Rolltor der überwiegend in spanender Fertigungsweise arbeitende Firma im schwäbischen Umland Stuttgarts, schiebt sich, mit der nötigen Vorsicht, eine extrem tiefe Mercedes-Benz E-Klasse der Baureihe 124. Während der Benz wie in Zeitlupe einrollt, vernehmen die Ohren das Geräusch einer Drucklufteinblasung. Die Augen sehen jedoch keine Anhebung der Karosse. Dann das fiese Kratzen. Aus dem geöffneten Fenster streckt einen Liedschlag nach dem „Ölwanne-Boden-Kratzgeräusch“ ein bärtiges Gesicht, mit Brille auf der Nase, schelmischem Blitzen in den Augen und fettem Grinsen im Gesicht. Der Fahrer ruft dem Lärm entgegen: „Keine Sorge! Das ist normal! Der ist STATIC!!!“ Der sich bereits entwickelnde Gedanke bestätigt sich… Die Drucklufteinblasung muss ein Werkzeugwechsel einer der vollautomatischen CNC-Fräsmaschinen gewesen sein.
In ohnmächtiger Erwartung nicht noch einmal solch ein Kratzen vernehmen zu müssen, folgen die Augen dem nun nahezu komplett in der ebenen Halle rollenden T-Modell. Sechzylindersound, Stern auf der Haube, weiße Bilnker – es kann sich also nur um einen E280 oder E320 S124 handeln. Marcus, der Fahrer, steigt aus und freut sich über die ausgefallenen Foto-Location – der Fotograf kann seinen Augen kaum trauen und bestaunt den tiefen, turmalingrünen Lademeister.
Nachdem auf beiden Seiten mehrfach Freudenstöße wie „Mega“ oder auch „Hammer“ durch die nächtliche Werkstatt ertönen, beginnt das Fachsimpeln... Markus spaßt: „Es ist nur der ‚kleine‘ 280er, da ist noch mehr vom Motorblock vorhanden, damit kommt er nochmal n’bisl tiefer.“ und spielt damit auf die etwas kleiner Bohrung vom 2,8 Liter Reihesechzylinder M104 an.
Das tiefe T-Modell war anfänglich gar nicht so geplant erzählt der Lackierer und Karosseriebauer. Im August 2015 wollte sein "no-budget" Daily, ein Ford Sierra, nicht mehr. Nach ca. einem Jahr im Alltag kam es zum kapitalen Motorschaden. Hier bot sich eine Möglichkeit, denn: „Ich wollte mir einen schon lang bestehenden Traum erfüllen und mir einen S124 für den Alltag kaufen, Budget am besten unter 2000€ - also los: mobile, Autoscout und ebay durchforstet und bin nach ein paar Tagen auf ein turmalingrünen 95er E 280T gestoßen, Klima, elektrische Fensterheber, grauer Karostoff, Wurzelnuss, Sitzheizung ... Purer Luxus für mich. ...die diversen Mängel wie Rost und schlechte Wartung hatte ich da schnell übersehen und ein Tag nach der Besichtigung war er für etwas über 1000€ geschossen, mit 1 Jahr TÜV versteht sich!“
Kaum im neuen Besitz streikt der Benz. „Nach 1,5 Wochen an einem Montagmorgen – Zündschloss defekt, Automatik auf P - abschleppen per Adac Kran ... Dann stand das Auto erstmal 3 Wochen in der Werkstatt: Auf die Zündschlosszerstörung folgten noch diverse Rostreparaturen.“
Jetzt war der Wagen soweit, frei für das Motto: „Bought a daily, need a new daily!“ Die ersten Modifikationen folgen... „Tieferlegung 30/30 und 16" 8 Loch vom 500er“ so der stolze Besitzer. Weiter erinnert er sich: „Im November kamen dann die ersten längeren Regenphasen, nächstes Problem: Der scheinbar getauschte Motorkabelbaum war nur bis vor die Batterie erneuert und von dahinter bis zum Steuergerät alt und komplett zerbröselt. - wieder Werkstatt. Danach lief das Auto so gut, dass ich mir ernsthaft Gedanken machen konnte, dass mir die Optik noch nicht gefällt und ich etwas Extremeres plante - also neue Räder her. "relativ" günstige Gotti G1001 in 8x17 et15/ 9x17 et15 waren die Wahl. Natürlich nach dem Kauf erstmal zerlegt, komplett neu poliert und lackiert (60 Stunden Arbeit). Abschließend kam das Fahrwerk unter‘s Messer bzw. unter die Flex, die serienmäßig verbaute Niveauregulierung wurde abgesenkt und einstellbare Domlager und Sturzstreben verbaut.“
Erster großer Ausflug im neuen Trimm war im Frühjahr 2016 kurz nach der Fertigstellung zum Wörthersee- bzw. Faaker See-Treffen. Hierbei mit 9 Grad Sturz an der Hinterachse ist ein Felgenbett gerissen, nach 4 Tagen Tirefit und stündlichem Reifendruckprüfen ging es auf eigener Achse wieder zurück. Die Felge wurde vorerst provisorisch geschweißt, da für das T-Modell und seinen Besitzer noch andere Treffen anstanden und „besucht werden mussten“. An ein kurzfristiges Auftreiben eines neuen Felgenbettes war einfach nicht zu denken.
„Aufgrund der fatalen Wirkung der Niveauregulierung bei Tieferlegung wurde diese komplett entfernt und gegen eine Frankenstein Hinterachse aus W124 Limo mit S124 Teilen ausgetauscht.“ Dass hierbei auch Teile, die nicht aus dem MB-Teileprogramm kommen verwendet werden müssen erwähnt der Tüftler nur kurz in einem Nebensatz.
Als die Tuning-Saison im November 2016 bereits lange vorüber war, die provisorisch reparierte Felge (und auch das Auto) durchgehalten hatten, ging die Winterpause in die Vollen. Felge gerissen, Motor lief nicht sauber, Leistung fehlte. Gebranntes Kind durch den Vorgänger, Ford Sierra, erneut Verdacht auf Motorschaden am „neuen“ Daily. „Im Endeffekt waren es eine verrußte Zündkerze und 2(!) defekte Kraftstoffpumpen.“ erzählt Markus tapfer. „Übern Winter wurden wegen diversen Lackschäden, wie Steinschlägen und Lackabplatzern alle Beplankungen, Stoßfänger, Motorhaube sowie beide Kotflügel lackiert. Ein neues Felgenbett, neue Reifen und nochmal einen dezenten Tiefgang runden das Bild nun ab.“ Mittlerweile hat das Auto 290tkm auf der Uhr (mit 240tkm 8/2015gekauft) und freut sich wachsender Beliebtheit in der Szene.
33 Bilder Fotostrecke | Mercedes-Benz S124 Tuning: 95er Mercedes-Benz E 280T als Tiefbaugebiet
1 Kommentar
Fünfhunderter
30. Januar 2018 23:16 (vor über 6 Jahren)
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